DVD/BD-Start: 02.01.2015
Menschen, die zum Teil in selbst errichteten psychischen Gefängnissen leben, hatte Atom Egoyan in seinem vorangegangenen Werk, dem extra-faden „Devil’s Knot“ schon ins Zentrum gerückt – in Anlehnung an „Prisoners“, der diesmal noch deutlicher Pate stand (und seine Sache abermals besser löst). Ferner greift der Kanadier auf sein eigenes Themenspektrum zurück, bedient sich bei „Felicia, mein Engel“ und „Das süße Jenseits“.
Allerdings entwickelt er nie die hypnotische Intensität, die seine früheren Filme auszeichnete, wodurch seine Methodik aus Voyeurismus, Obsessionen und Illusionen keine melodramatischen Qualitäten erreicht. Egoyan verpasst einfach, seinen Figuren näherzukommen. Obwohl er mit dem Porträt einer weiß verschneiten Kleinstadt auf vertrautem Terrain agiert, kämpft man mit einer unsagbaren, fast parodistisch unfähigen Polizei.
Deren Arbeit ist Teil des Personen- und Beziehungsgeflechts, das gewohnt langsam seine Story sucht. Ryan Reynolds („R.I.P.D.“) als hartnäckig nach seiner Tochter fahndender Vater, Scott Speedman („Underworld“) und Rosario Dawson („Sin City 2“) als Detectives und Kevin Durand („Noah“) als Camp-Version eines Wolfgang Přiklopil (der Natascha Kampusch acht Jahre gefangen hielt) bevölkern die melancholische Meditation.
Die vereint wieder Gesellschaftspanorama, Krimidrama und Psychostudie um strafrechtliche relevante Abgründe der menschlichen Seele sowie Personen, die scheinbar in der Normalität, tatsächlich aber in den Winkeln ihrer eigenen Welt existieren. Nur ist das Puzzle, das Egoyan stückweise zusammensetzt, als Bild zu deutlich absehbar. Die Kleinstadt, in der unerkannt ein Monster alle mit Kameras überwacht, bleibt suspensefrei.
Bis auf wenige Ausnahmen: wenn auf der Jagd nach dem Pädophilenring die Sexualverbrecher in Chatrooms angelockt werden sollen, oder sie ihre kühl kalkulierten Entführungen verüben. Ein echter Thriller wird trotz einiger Ansätze nicht daraus, da zeigt „The Treatment“ schon Konkreteres. Die verhaltenen Gefühlsverlorenheiten lassen aber immerhin erkennen, was Egoyan einst zu leisten imstande war und noch nicht ganz vergessen hat.