Die Legende der Prinzessin Kaguya

Das handgezeichnete, traditionelle japanische Volksmärchen unterläuft als zu lang geratenes Poem konsequent moderne Sehgewohnheiten.

Die Legende der Prinzessin Kaguya Cover

Kaguyahime no monogatari, aka The Tale of Princess Kaguya, Isao Takahata, J 2013
Kinostart: 20.11.2014, DVD/BD-Start: 15.04.2015
Story: Als ein Bambussammler ein wundersames Mondkind entdeckt, ziehen er und seine Frau es groß. Durch himmlisches Gold reich geworden, ziehen sie in die Stadt, wo sogar der Kaiser um die inzwischen wunderschöne Prinzessin Kaguya buhlt, die sich zur Natur und zu Jugendfreund Sutemaru zurücksehnt.
Von Thorsten Krüger

Isao Takahatas traurige Hiroshima-Kriegswaisenerzählung „Die letzten Glühwürmchen“ gilt vielen als bester Anime, auch wenn ich persönlich die beiden „Barfuß durch Hiroshima“ vorziehe. Nachdem Hayao Miyazaki sich mit dem wunderbaren „Wie der Wind sich hebt“ verabschiedete, folgt ihm sein langjähriger Weggefährte, der schon in der 70er-Serie „Heidi“ Regie führte, mit seinem vermutlich ebenfalls letztem Werk.

Seine Version eines über 1000 Jahre alten japanischen Volksmärchens ist nichts für moderne Sehgewohnheiten. Der minimalistische, analog (sprich: händisch) hergestellte Tusche- und Aquarell-Zeichentrick, untermalt vom traditionellen Zupfinstrument Koto, ist eine klare Absage an heutigen CGI-Realismus. Der sehr einfache bis abstrakte, letztlich konventionelle Stil wirkt indes ziemlich antiquiert und ist Geschmackssache.

Tränenreiche Elegie mit rousseauistischen Tendenzen

Im Miteinander von Robert-Bresson-Allegorie, Liebesmelodram und Gesellschaftsdrama überwiegt eine tränenreiche Elegie mit rousseauistischen Tendenzen um das Leben eines Himmelsgeschenks, einer Naturgöttin mit magischen Fähigkeiten, die nach einer freien Kindheit in Bergtälern für die ausgefeilte Hochkultur alles Menschliche aufgeben muss, domestiziert im Goldenen Käfig eines Patriarchats – eine Hof-Historie.

Dass die Prinzessin dies passiv erduldet und nur im Traum Reißaus nimmt, fällt weit hinter emanzipierte weibliche Märchenfiguren zurück wie jüngst „Merida“ und „Maleficent“ – oder, asiatisch, „Mulan“. Damit arbeitet sich Takahata langwierig an der Statusgeilheit des egoistischen Ziehvaters ab, dem sich Kaguya fügt. So richtig aktiv läuft ihr Konflikt mit Standeszwängen kaum ab, die heute aus gutem Grund überwunden sind.

Emotionale Ausbrüche sind rar gesät

Wer sich fürs förmliche Dünkel im historischen Japan interessiert, darf sich freuen, alle anderen haben Pech gehabt. Immerhin betrachtet Takahata dies moderat spöttisch – für die Verhältnisse von Yasujirô Ozu wäre es eine turbulente Komödie. Daneben man kann nicht umhin, immer wieder an Zhang Yimous „Rote Laterne“ zu denken. Nur nicht als Drama: Die Erzählung erstarrt mitunter selbst – emotionale Ausbrüche sind rar gesät.

Die seelenruhige Mär, die fast so schwunglos wie Takahatas alltagsnaher „Tränen der Erinnerung“ geraten ist, erforscht wenig, was in den Figuren vorgeht. Das wäre als kurzes Poem bezaubernd, aber nicht auf unentschlossen mäandernden 137 Minuten. Im sehr langen Film darüber, dass man seinem Schicksal nicht entfliehen kann, hätte nicht nur das Mondkind seine Magie einsetzen können – wie im viel bewegenderen „Ame & Yuki“.

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