Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis

Rabenschwarz satirisch: bitterböse Psychostudie und packender Medienthriller mit einem amoralisch guten Jake Gyllenhaal.

Nightcrawler Cover

Nightcrawler, Dan Gilroy, USA 2014
Kinostart: 13.11.2014, DVD/BD-Start: 19.03.2015
Story: Dieb Lou streift durch die Nacht von Los Angeles, stets auf der Suche nach Beute und einem legalen Job, dem ihm keiner geben will. Bis er sich als Tatort-Fotograf für Unfälle und Überfälle versucht und für die lokale Nachrichtenproduzentin Nina rasch professionell und absolut skrupellos Blutbilder liefert.
Von Thorsten Krüger

Selten hat Hollywood so einen lupenreinen Psychopathen porträtiert – nach klinischer Definition und nicht als augenrollender Schurke: sondern ein von moralischen Skrupeln Befreiter, der andere nicht als Menschen sieht, sie eiskalt ausnutzt und umbringt, falls sie ihn behindern; der mit oberflächlichem Charme ein Business aufzieht. Jake Gyllenhaal („Prisoners“) spielt den Tatort-Paparazzo schauderhaft-grandios und oscarwürdig.

Jemanden so creepy, so bedrohlich geisteskrank findet man nur bei Scorseses „Taxi Driver“, mehr noch seinem Stalker-Drama „King of Comedy“, ebenfalls mit Robert De Niro, dessen Realitätsverlust Gyllenhaals Gänsehaut-Figur teilt. Ein echter American Psycho, bei dem Dan Gilroy, Drehbuchautor von „Das Bourne Vermächtnis“ (den sein Bruder Tony Gilroy inszenierte), Charakter und Suspense aufregend verknüpft.

Amerikanischer Traum pervers

If it bleeds it leads: Im eleganten Steadycam-Stil (Kamera: Robert Elswit, „There Will Be Blood“) rast ein Widerling durch die Nacht, um den amerikanischen Traum mindestens so pervers zu realisieren wie Leonardo DiCaprio in „Wolf of Wall Street“ – denn Lou ist nichts anderes als ein Dieb mit Businessplan, für den er Ethikgrenzen und Gesetz überschreitet, Morde arrangiert und Konkurrenten mit Todesfolge aus dem Weg räumt.

Dass diese Figur fasziniert und nicht nur abstößt, ist Gyllenhaals brillanter Leistung zu verdanken, als Einzelgänger auf der Suche nach Anerkennung, der mit umwölkten Augen harmlos aussieht, aber gerissen agiert. Und dem treibenden Drive eines perfekt ausbalancierten Night Movies, das alles so glaubwürdig auf den Punkt bringt, dass man dem grausam aalglatten Parasiten überall hin folgt, obwohl man ihn gar nicht näher kennen will.

Mörderischer als selbst Killer

Mit der ebenso korrumpierten Produzentin eines lokalen Sensationssenders (Dan Gilroys Gattin Rene Russo nachvollziehbarer als Faye Dunaway in „Network“) geht er eine Symbiose ein, die er mit diabolischem Ehrgeiz, Chuzpe, sexueller Erpressung und Größenwahn zum einträglichen Geschäft ausbaut, die teure Statusuhr von seinem letzten Raubüberfall noch am Handgelenk. Menschen und Beziehungen: Reine Verhandlungsmasse.

Als er später mit rotem Hotrod exklusiv garstige Drogenmorde filmt und mit zurückgehaltenem Beweismaterial eine Schießerei samt Verfolgung zwischen Polizei und Gangstern initiiert, ist er mörderischer als die Killer selbst. Dagegen nimmt sich Woody Allens „Scoop“ harmlos aus, denn dieser bitterböse „Reporter des Satans“ hat die gleichen Qualitäten wie Billy Wilder. Nur, dass er in einer köstlich-zynischen Pointe damit expandiert.

4 Gedanken zu „Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis“

  1. Vielen Dank für diesen sehr aussagekräftigen Text. Davon hab ich als Kinogäbger, der den Film noch nicht gesehen hat, echt was. Interessant und griffig geschrieben.

  2. Sehr schöne Kritik. Und die letzte Pointe ist tatsächlich großartig! Ich hätte es jedoch eher so gesehen, dass die Rolle der Faye Dunaway hier eher von Jake Gyllenhaals Figur evoziert wird. Altersdifferenz der Beziehung und der sexuelle Druck bleiben gleich, nur das Geschlecht wurde vertauscht.

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