Trash

Gutmenschen-Gewissen und Ethno-Kitsch definieren ein schelmisches Jugendabenteuer, das sich mit einem brutalen Sozialthriller beißt.

Trash Cover

Stephen Daldry, GB 2014
Kinostart: 19.02.2015, DVD/BD-Start: 29.10.2015
Story: Gardo und Rafael sind junge Müllsammler in Rios Slums, wo sie die Geldbörse des ermordeten José finden. Worauf sie von Fredericos brutaler Polizeieinheit gejagt werden, denn darin stecken Beweise für deren Verbrechen. Mit Freund Rato und der Hilfe zweier Missionare wollen sie die Wahrheit herausfinden.
Von David McAllan

Das Rio-Jugendactionabenteuer des Briten Stephen Daldry hat nichts mit dem New Yorker Camp-Hustler aus der Warhol-Factory zu tun, sondern basiert auf Andy Mulligans gleichnamigen Favela-Roman von 2010. Es ist eine Enttäuschung vom Regisseur, der vielversprechend mit „Billy Elliot“ begann, meisterhaft „The Hours“ nachlegte und bei „Der Vorleser“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ nur Durchschnitt erreichte.

Hier wählt er prinzipiell den falschen Ansatz: Den eines sozial engagierten Street-Teen-Märchen samt Sieg der Gerechtigkeit. Bei dem kommen Max von der Grüns mehrfach verfilmte „Vorstadtkrokodile“ in den Sinn, oder Jeunets „Mic Macs“, der vage Ähnliches mit Erwachsenen durchspielte. Nur kombiniert Daldry diese spaßig-hippe Streetdance-Lockerheit mit einem sozialrealistischen Milieuthriller der harten „Tropa de Elite“-Gangart.

Politisch korrekte Helfersicht

Diese Kontraste sind inkompatibel. Die Eingangsszene beschwört Meirelles’ Favela-Kindergangsterepos „City of God“, aber mit dieser Authentizität schmückt sich Daldry nur, um mit aufgemotzter Rasanz eine Hollywood-Dramaturgie darüber zu legen. Beispiel: Nachdem Gardo zehn Filminuten gnadenlos gefoltert wurde, steht belanglose Komik an – ein heftiges Schwanken zwischen Realismus und Kintopp. Und es kommt noch schlimmer:

Aus ekelhaft besorgter, politisch korrekter Helfersicht von betroffenen Aktivisten und Kümmerern entwickelt sich eine Ladung Ethno-Kitsch mit übel bewegtem Score. Dazu kommen ein passabler Martin Sheen als desillusionierter Missionar und eine blasse Rooney Mara (aus dem US-Remake von „Verblendung“) als Assistentin mit Mutterkomplex. Zwei Gutmenschen, die sich von dem schlitzohrigen Jungs-Trio aus- und benutzen lassen.

Überinszenierung verrät die Tragik

Der eigentlich engagierte Kampf gegen Korruption und ausufernde Polizeigewalt – diese tritt als staatliche Terrorbande auf – verfehlt Dank oberflächlicher Figuren alle emotionale Wirkung. Das oft ins Schlemische verliebte Abenteuer knackt Bibel-Codes und Knobelaufgaben zum Nachteil jeder Spannungskurve. Seine Überinszenierung verrät das Milieu, die Tragik und die wichtigen Themen, die er sich eigentlich vorknöpft.

In edel gefilmten Müllbergen und Abflusskanälen erreicht „Trash“ weder das Charisma noch die Bedeutsamkeit, die er sich klar selbst zumisst, was ihn selbstgefällig ins Leere laufen lässt. Wenn er sich mit einem Straßen-Märchen begnügt hätte, wäre er ein Kiddie-Adventure geworden, aber auf der Suche nach einem bestürzenden Thriller ist er grauenvoll verlogen. Dann lieber Meirelles, Padilha oder ein Bitterpille wie „Graceland“.

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