Kinostart: 04.12.2014, DVD/BD-Start: 02.04.2015
West-östliche Wechselwirkungen: Akira Kurosawa, ein großer Bewunderer von John Ford, wurde durch die US-Remakes seiner Werke „Yojimbo“ („Für eine Handvoll Dollar“) und „Die sieben Samurai“ („Die glorreichen Sieben“) geadelt. Nun geht der Kultur-Transfer zurück nach Nippon, in einer originalgetreuen und doch mit japanischer Geschichte ergiebig gefüllten Neufassung von Eastwoods vierfachen Oscargewinner von 1992.
Statt eines Entertainment-Wahnwitzes wie der koreanische „The Good, the Bad, the Weird“ (dem Quasi-Remake von „Zwei glorreiche Halunken“) ist der naturalistische Abgesang des in Japan geborenen Lee Sang-Il mehr spannendes Historienkino als ein Genrewerk wie Miikes „13 Assassins“ und andere Chambara-Filme. In den besten Momenten erblüht eine lyrische, geschichtlich akkurate Pastorale der Landschaften Hokkaidos.
Ohnehin steht „The Unforgiven“ einem Western näher als dem klassischen Samuraikino und bricht Gattungsbeschränkungen weitgehend auf. In Bildern und Farben, als würden alte Stiche Realität, in Impressionen von Land und Leben, bei Wind und Wetter demontiert Lee den Heldenmythos und entlarvt Legenden als Lügen. Deutlich mehr als bei Eastwood verstärkt die exzessive Gewalt einer brutalen Junta die Anti-Gewalt-Botschaft.
„Ein Mann zerschneidet einer Frau das Gesicht, zwei andere töten ihn dafür. Ich werde euch nie verstehen“, resümiert der Vater von Jubeis verstorbener Frau das Geschehen. Er ist ein Ainu, ein Ureinwohner, die wie die Indianer ausgelöscht werden sollen, planmäßig wie Tiere von der massakerwilligen Armee misshandelt, rassistisch unterdrückt. Viel Leiden ist hier zu bezeugen und kaum zu ertragen, Trost und Hilfe bleiben aus.
Die jämmerlichen, aber tragisch nahegebrachten, gebrochenen Protagonisten (vor allem Ken Watanabe aus „The Last Samurai“ und „Inception“ ist eindringlich als armer Bauer) sind amateurhaft unfähig, der Böse (Kôichi Satô aus Miikes Spaghetti-Western-Echo „Sukiyaki Western Django“) triumphiert auf eine Art, die auf Dauer verdrießlich anzusehen ist. Ein Ungleichgewicht der Kräfte besteht, das einen unerbittlich deprimiert.
Als katatonische Jeremiade ist dem allen schwer beizuwohnen, die anderen Facetten aber sind lohnenswerter und einige Komik, vorwiegend aus Unzulänglichkeiten gespeist, verleihen sehr viel Menschlichkeit. Ferner ist die Rolle der als Stück Fleisch behandelten Frauen, deren Leid ignoriert und mit denen Kuhhandel getrieben wird, ein Fall für Friedensnobelpreisträgerin Malala. Sie sind zum Zuschauen bei all dem Unrecht verdammt.
Eine sinnvolle Ergänzung zu aktuellen Western wie „The Homesman“, „Gold“ und „The Salvation“.