Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 21.05.2015
Ohne Auschwitz (Besuch inklusive) als zentraler Gräuelmythos geht nichts im deutschen Vergangenheitsbewältigungsgenre, als dessen gehobener und historisch akkurater Vertreter Giulio Ricciarellis Debütarbeit einen Grünschnabel gegen alle Widerstände den Horror des Holocaust entdecken lässt. Das Porträt der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft formt sich teils zum fesselnden Justiz- und Politthriller der Adenauer-Ära aus.
Das aus heutiger Antifa-Perspektive geschilderte Zeitgeschehen weist adrett ausstaffiertes Dekor auf und entwickelt mit Investigativ-Furor gegen eine Mauer des Schweigens alter an der Macht befindlicher Nazi-Seilschaften beklemmende Spannung. Alexander Fehling („Goethe!“, „Buddy“) führt eine überzeugendes Ensemble an, der Schrecken sadistischer Massenmorde wird in mehreren virtuosen Vernehmungsszenen nonverbal erfahrbar.
Aber Ricciarelli betreibt auch ein moralisierendes Edukationsprogramm, das Schülern alles erklärt. Der US-Ami ist ein echter Clown, der Love Interest (Friederike Becht) samt 50er-Jahre-Reizwäsche Kokolores, die Jagd nach Mengele Kolportage und wie Radmann daran fast zerbricht, wird psychologisch so grob gestrickt wie die Dialoge oft farblos und schwachbrüstig geraten. „Der Richter“ weist da viel mehr (Drehbuch)Klasse auf.
Das Handwerk bleibt zwiespältig und durchwachsen, aber die thematische Wucht dringt immer wieder durch und auch das würdevolle Ende ist wirksam. Womit Ricciarellis Film bewegender ausfällt als „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, weil es keine nüchterne Chronik, sondern ein der Unterhaltung verpflichteter Krimi ist. Seine augenfällige Mechanik kondensiert gleichwohl nie das nackte Grauen wie „Das radikal Böse“.
Ansonsten warte ich auf den Tag, an dem ich aus China, Russland, Türkei oder Amerika eine so kritische Aufarbeitung der eigenen vergangenen Verbrechen sehe. Bis dahin bleiben wir wohl das einzige Land, das den Mut hat, sich dem so offen zu stellen – und „Im Labyrinth des Schweigens“ zeigt eindrucksvoll, wie schwierig dies in der damals vorherrschenden Verdrängungsgesinnung war. Darauf können wir zu Recht stolz sein.
Gute Review – und auch gut gesprochen im letzten Absatz. Wenn Leute uns als Deutsche uns an die Vergangenheit unseres Landes erinnern und die grausamen Fehler, wünsche ich mir auch manchmal, dass andere Länder auch soviel Aufarbeitung betreiben würden.
Wirkt ganz, als werde Fehling erwachsen
Hat dies auf Kissing Kismet rebloggt und kommentierte:
Reblog von Komm&Sieh – Alexander Fehling in “Im Labyrinth des Schweigens” ab dem 6.11.2014 im Kino