Kinostart: 29.01.2015, DVD/BD-Start: 11.06.2015
Ein Fegefeuer der Eitelkeiten zwischen Fantasy und Existenzialismus bringt das mexikanische Regiewunderkind, der bisweilen überschätze Iñárritu („Amores Perros“, „Babel“), in seinem ersten komischen Werk an. Das ist satirisches Spiegelvorhalten und frenetische Liebeserklärung an das Schauspielmetier gleichermaßen – nicht so giftig-pervers wie „Maps to the Stars“ oder ungeschminkt-wahrhaftig wie „Die Wolken von Sils Maria“.
Dafür sehr amüsant und randvoll mit Meta-Ebenen: Ohne einen einzigen sichtbaren Schnitt folgt eine agile Steady Cam brillant jeder Bewegung durch die Backstage-Gänge des New Yorker Broadway, umkreist (Selbst)Gespräche, Proben, Aufführungen und sporadische Exkurse auf die Straße. Diese Kamera verleiht Wahrhaftigkeit, die Iñárritu mit Künstlichkeit fusioniert und seine Schauspieler wie hungrige Hunde von der Leine lässt.
Vor allem bei Ex-Batman Michael Keaton („RoboCop“) vermischen sich (selbst)ironisch-augenzwinkernd Fiktion und Vita mit seinem Part als abgerissener Star mit psychischem Vollschaden. Der Schizophrene hört Stimmen, wird im Zorn zum Telekinetiker und später kann er auch noch fliegen. Damit greift Iñárritu nicht nur auf magischen Realismus zurück, sondern integriert auch noch Fantasy in dieses Ringen um die Realität.
Keatons Hahnenkampf mit „Fight Club“-Bürosklave Edward Norton („Grand Budapest Hotel“) als manischer Method Actor pflügt durch die Persönlichkeitsschichten und hält ein Ensemble zusammen, das alle Klischees vereint, die man landläufig von Schauspielern hat: Egoisten, Ruhmsüchtige, Neurotiker, psychisch Deformierte, aber: Menschen. Ihr Treiben ist deftig, hat Ecken und Kunstwillen sowie einige böse Zeilen.
Dennoch bleibt die Nabelschau weitgehend unbehelligt von der Wirklichkeit, ist eben auch nur viel Lärm um nichts. Manchmal will sich Iñárritu nur mal richtig auskotzen, meist ist er so in seine eigene Virtuosität verliebt wie die Figuren – was jedoch nicht stört. Denn das bizarre Wahnsinnig-Werden ist vielleicht existenziell nicht allzu bedeutsam, aber unterhaltsam und trotz allem Spott eine tiefe Verbeugung vor gestressten Künstlern.
Klingt absolut sehenswert nach deiner Einschätzung. Vor allem freue ich mich mal wieder Edward Norton zu sehen!
Vermutlich sprechen so viele Gründe für Birdman wie dagegen (und bisweilen wohl sogar dieselben), aber eins ist er sicher nicht: uninteressant. Kann man sich somit ruhigen Gewissens ansehen 🙂
Ich meine mich zu erinnern, dass mir irgendwer sehr von Birdman abgeraten hat – aber was Du schreibst, klingt leider viel zu interessant, um ihn auszulassen, ich habe noch nie eine Satire mit magischem Realismus vermischt gesehen oder gelesen. Und Innáritu mag ich ja sowieso sehr. Dann bin ich ja mal gespannt…