Das Verschwinden der Eleanor Rigby

Einsamkeit, Liebe, Trauer: Unkonventionell und empfindsam spürt Ned Benson der existentiellen Orientierungslosigkeit eines Paares nach.

Das Verschwinden der Eleanor Rigby Cover

The Disappearance of Eleanor Rigby: Them, Ned Benson, USA 2014
Kinostart: 27.11.2014, DVD/BD-Start: 07.05.2015
Story: Eine Tragödie hat das Traumpaar Connor und Eleanor getrennt. Nach einem Selbstmordversuch bricht sie jeden Kontakt ab, zieht zu Eltern und Schwester, um ein neues Leben anzufangen. Connor bleibt am Boden zerstört in seiner schlecht gehenden Bar zurück, gibt aber nie auf, sie noch zurückzugewinnen.
Von Sir Real

Ned Benson ist Amerikaner und er hat sein aus zwei Perspektiven erzähltes Diptychon „The Disappearance of Eleanor Rigby: Her“ und „Him“ zu einem Drama montiert, das beiden folgt, mehr ihr, als ihm. Der unkonventionelle Indie-Ansatz ist dagegen europäisch, angenehm unaufgeregt mit der Handkamera eingefangen. Der 37-Jährige Autorenfilmer vereint damit die Vorzüge der Nouvelle Vague mit der Kunst hochklassiger US-Dialoge.

Jessica Chastain („Interstellar“) und James McAvoy („X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“) verkörpern herausragend zwei Verlorene auf der Suche nach sich selbst. Besonders die existentielle Orientierungslosigkeit von der nach dem Beatles-Song (dessen Melancholie Benson inspirierte: „All the lonely people, where do they all come from“) benannten Eleanor drückt sich immer wieder in gewitzt-intelligenten Szenen und Gesprächen aus.

Ehrlich, humor- und einsichtsvoll

„Ich weiß nicht, wer Sie sind. – Das ist okay. Ich weiß es auch nicht.“ Diese Identitätskrise schlägt sich vorwiegend bei herb-komplizierten Frauen nieder, weshalb Jess Weixler (die Dawn aus „Teeth“) als undramatisch-liebenswerte Schwester zuweilen interessanter als die Protagonistin ist, die ihrem Mann die kalte Schulter zeigt und fast zur Verzweiflung treibt. Zwischen Verliebtsein und Suizidversuch steht hier nur der Titelschriftzug.

Benson enthüllt zögernlich die Tragödie, die geschehen ist. Er belegt ohne Partei zu ergreifen, wie jeder seine eigene Art zu trauern hat. Wenn alle Sicherheiten wegbrechen und nur Ungewissheit bleibt, dann bedarf es Freunde und Nahestehende, Wärme statt therapeutischer Professionalität, um seinen Weg (wieder) zu finden. Ehrlich, humor- und einsichtsvoll sinniert dies berührend über Beziehungen, lebensklug, ohne Besserwisserei.

Berührend, ungewöhnlich erwachsen

„Wieso müssen Menschen Kinder haben?“, klagt Viola Davis („Prisoners“), die einer Riege Nebendarsteller angehört. Ciarán Hinds, Isabelle Huppert und William Hurt sind die feinen Ergänzungen, die wichtige Fragen stellen, aber auch nicht alle Antworten darauf kennen, womit gescheiterte Hilfsversuche nach und nach in neue Erkenntnisse münden, plotpointfrei, dafür mit feinem psychologischem Humor und natürlicher Sexualität.

„Tragödien sind wie fremde Länder. Wir wissen nicht, wie man mit den Einheimischen spricht“: Nach einer Spazierfahrt ins Unwetter navigiert sich eine Frau, die nicht mehr weiß, was sie ist und dabei erhebliche Kollateralschäden anrichtet, aus der Isolation wieder in die Kommunikationszone eines Miteinanders, ganz undidaktisch, berührend, ungewöhnlich (unamerikanisch) erwachsen. Und das Ende zeigt: Stalking kann so schön sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.