Sea Fog

Der authentisch-atmosphärische Moralthriller um eine menschliche Tragödie auf hoher See ist verdient Koreas Auslandsoscarbeitrag 2015

Sea Fog Cover

Haemoo, Shim Sung-bo, ROK 2014
ohne deutschen Start
Story: 1998. Als sie nach einem Maschinenschaden knapp bei Kasse sind, entschließt sich der ungehobelte Kapitän eines Fischerkutters mit seiner einheimischen Crew Immigranten via China einzuschmuggeln. Der junge Maschinist Dong-sik verliebt sich sofort in die schöne Hung mei. Dann geschieht eine Katastrophe.
Von Gnaghi

Nachdem Bong Joon-ho mit seiner internationalen Premiere „Snowpiercer“ zurecht nicht zufrieden war, produzierte und schrieb er diesen im Sozialmilieu verorteten Verbund aus Humanismusdrama und Moralthriller, den sein langjähriger Autor Shim Sung-bo (Script zu „Memories of Murder“) mit erstklassigem Handwerk als stimmungsvolle, klaustrophobische und spannende Trawler-Tragödie auf düsterer See ausführt.

Sie spielt nach einem wahren Ereignis 1998 zur asiatischen Wirtschaftskrise und zeigt den von Geldmangel geprägten Arbeitsalltag leicht vulgärer, aber sympathischer Fischer in ihrem Dorf. Trotz einiger nicht unkomischer Momente, in denen sich die Kerle ein Maul anhängen und herumhuren, kündigt bewegte Streichermusik die humanistischen Ambitionen an, die dann unerwartet erschütternd anstatt sentimental zur Geltung kommen.

Aus einem Abenteuer wird ein Alptraum

Das Lachen vergeht Zuschauern wie Crew, als aus einem Abenteuer mit flauem Magen – dem Menschenschmuggel – plötzlich ein Alptraum wird: In ihrem stinkenden Versteck erstickt die menschliche Fracht an einem Gasleck und die entsetzten Matrosen sind nun ein Geisterschiff im wallenden Nebel geworden. Nur Flüchtling Hung mei überlebt, weil sie der junge und hilfsbereite Dong-sik bei sich im Maschinenraum versteckt hat.

Wenn die Männer die Toten zerhacken, damit ihre Leichen von den Fischen gefressen werden und der rücksichtslose bis wahnsinnige Kapitän Kang (Kim Yun-seok aus dem ähnlich hervorragenden „The Yellow Sea“) Dong-siks Onkel umbringt, weil dieser unter der Gewissenslast zerbricht, andere ungeniert die Leichen nach Wertgegenständen fleddern, zeigt sich das wahre, kalte Gesicht der Mannschaft. Sie versuchen Dong-sik zu ermorden.

„Der Schatz der Sierra Madre“ und „Meuterei auf der Bounty“

Denn der Kapitän will das Geld einstreichen und keine Zeugen für die Verbrechen, wofür dieser verrückte Ahab erst an sein sinkendes Boot gefesselt die Quittung erhält. Dong-sik versucht sein Mädchen zu schützen und muss in Notwehr töten, was realistisch statt genremäßig ausgefochten wird. Anklänge an den Beutestreit in „Der Schatz der Sierra Madre“ und den Anstandsaufstand einer „Meuterei auf der Bounty“ sind kein Zufall.

Über dem superb in feucht-finsteren Look fotografierten Kampf auf engem Raum im aufgewühlten Meer steht das Unheil wie im „Weißen Hai“. Es ruft die jüngste Havarie, den Untergang der Sewol im April mit 300 Toten, in Erinnerung. Obwohl Dong-sik seiner Auserwählten mehrfach das Leben rettet, lässt sie ihn zurück, um ihren Bruder in Seoul zu suchen, was einen melancholisch-bittersüßen, aber erleichternden Epilog ergibt.

Ein Gedanke zu „Sea Fog“

  1. Uff – die Zusammenfassung erinnert mich an Buitiful – in dem sich eine ähnliche Tragödie ereignet. Nur eben nicht auf hoher See. Und hier wird ja scheinbar nochmal einer draufgesetzt.

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