ohne deutschen Start
Sie ist blind, er (beinahe) stumm und beide ein todesromantisches Traumpaar in einer trostlosen „Gomorrha“-Gegend, die den gnadenlosen Hintergrund eines introspektiven Stilllebens über die Ausweglosigkeit eines kleinen Rädchens im unaufhaltsamen Getriebe des organisierten Verbrechens in Italien bildet. Wehe dem, der sehen lernt und das Licht des Humanismus erblickt, warnen Fabio Grassadonia und Antonio Piazza.
Das Regie- und Drehbuch-Duo formt in seinem Kinodebüt „Salvo“ beinahe einen Western aus, der mit einer beeindruckenden Echtzeit-Schießerei beginnt, dann aber auf Fahrt und Action zugunsten innerer Entwicklungen verzichtet, was stilistisch beachtlich erfolgt, nur leider auch etwas zäh ist. Saleh Bakri aus „Die Band von Nebenan“ hat als wachsamer Profi Augen wie ein Visier – als wäre Clint Eastwood der „Terminator“ geworden.
Dass er unmöglich eine schöne Unschuldige, Miss Rita (die ihm ebenbürtige Newcomerin Sara Serraiocco), erschießen kann, ist für die seelisch verarmte Mordmaschine ein Weckruf, dessen leise Emotionen zum Zuschauer herüber wehen. Wie Rita ein unscharfes Chiaroscuro, eine beängstigende Welt sieht, beschwört invers die Konstellation von John Woos „The Killer“, ohne in dessen Sentimentalitäten zu schwelgen.
Zunächst kennt der gefühlstaube Kerl nur Gewalt und Zwang, riegelt seine verdreckte und blutverschmierte Geisel in einem Verlies ab. Im Innersten glimmt ein Funke Menschlichkeit, der nun entflammt und in der Pension von furchtsamen Handlangern bisweilen trockene Komik gebiert. Sonst beobachtet „Salvo“ erklärungsfrei die meist monotonen Abläufe des Netzwerkes, das reibungslos funktioniert und von der Polizei unbehelligt bleibt.
Weit erwachsener als in „The Mafia Only Kills in Summer“ kann hier ein stummer Untertan nicht entkommen, weil ihm der Boss, ein hässlicher Wicht, keine Wahl lässt. Aber er kann Rita retten, in zarter, fast expressionistisch artikulierter Zuneigung mit Henkersmahlzeit und Meerblick. Wo Luc Besson („Leon – der Profi“) ein Kitschmärchen gefunden hätte, romantisieren Grassadonia und Piazza nichts. „Salvo“ geht deshalb um so näher.
imdb ofdb