Kinostart: 19.02.2015, DVD/BD-Start: 02.07.2015
Da Martin Luther Kings geschäftstüchtige Erben die Rechte exklusiv einem Studioprojekt zubilligten, darf der mit 20 Mio. Dollar vergleichsweise kleinbudgetierte „Selma“ keine offiziellen Reden des Friedensnobelpreisträgers verwenden. Dass das Bürgerrechtsdrama von der Afroamerikanerin Ava DuVernay („Middle of Nowhere“) um den Protestmarsch in einem kleinen Südstaatenstädtchen dennoch gelingt, spricht sehr für ihren Film.
Ein Bombenanschlag, bei dem vier junge Mädchen sterben, schockiert zu Beginn und zeigt den Alltagsrassismus eines Apartheidslandes, das seinen Bürgern seit beinahe 100 Jahren mit äußerster Brutalität konstitutionell verbriefte Rechte vorenthält. Die Unrechtsjustiz lässt die Täter frei, die fortgesetzte Gewalt macht wütend und die Morde von polizeilichen Pogromen und Straßenjagdszenen in diesem AmeriKKKa treffen in Herz.
Wie eine Antipode zu Lee Daniels üppiger Historienbebilderung „The Butler“ geht DuVernays „Selma“ bescheidener zu Werke, ein gemessenes Dialogdrama, das pathosfrei und zurückhaltend ein Porträt von Martin Luther King zeichnet, exzellent gespielt vom Briten David Oyelowo („A Most Violent Year“), der zwischen Selbstzweifel, Komplikationen und der engagierten Entschlossenheit emotional mitreißender Reden steht.
Carmen Ejogo („The Purge: Anarchy“) steht ihm in leisen Eheszenen zur Seite, ein zerknirschter Präsident (Tom Wilkonson führt eine Riege von Stars in Nebenrollen an, darunter Oprah Winfrey, Tim Roth und Martin Sheen) sabotiert sie mit zersetzenden Stasi-Methoden. Die Bürgerrechtler haben ein ganzes Volk und seine Institutionen gegen sich, bis ihre Allianz der Anständigen die humanistische Wende in den USA einläutet.
Diese ist in einen verbrecherischen Krieg in Vietnam verstrickt und die Regierung führt einen schmutzigen Krieg auch daheim gegen Teile der eigenen Bevölkerung. Die Bewegung zwischen Zerbrechen und Weitermachen, zusammengeschweißt von Trauer, an der Stärke des gewaltlosen Widerstands zweifelnd, gerät mit Angst in den Gesichtern an eine Polizeiarmee, die so etwas wie das Texas-Gummiknüppel-Massaker verübt.
All das ist kaum zu ertragen – und doch nicht halb so brutal, wie es damals in dieser Rassistennation zuging. „Selma“ gelingt es, nicht als Geschichts- und Kostümfilm zu enden, sondern mit Oyelowos Hilfe ein nuanciert-intimes Charakterbild zu zeichnen, ohne Stationengalopp, da es nur einen kurzen Ausschnitt aus Kings Biografie behandelt. Ein subtileres Werk, dass auch ohne aktuelle Bezugnahme ganz gegenwärtig wirkt.
imdb ofdb
Ich bin schon sehr gespannt, den Film zu sehen. Hatte Karten für die Berlinale und konnte dann doch nicht gehen. Schön, dass es hier so gut besprochen ist. Biopics sind ja nicht so mein Ding sonst, aber die Rezension macht richtig Lust.
Bin gespannt, trotz der künstlich hochgeschaukelten Vorwürfe bzgl. historischer Ungenauigkeiten. Oyewolo sieht richtig stark aus, und vor allem freut es mich, Tim Roth mal wieder prominent zu Gesicht zu bekommen.