Warte bis es dunkel wird

Addison Timlim in einem somnambulen Coming of Age, knallharten True-Crime-Thriller und stilvoller Slasher-Hommage im Retro-Look

Warte bis es dunkel wird Cover

The Town That Dreaded Sundown, Alfonso Gomez-Rejon, USA 2014
Kinostart: 09.04.2015, DVD/BD-Start: 03.09.2015
Story: Das provinzielle Doppelstädtchen Texarkana ist von einer ungeklärten Mordserie geprägt, nach deren Abschluss 1976 der Film „The Town That Dreaded Sundown“ entstand. Bei einer Autokinoaufführung 2013 schlägt der Maskierte erneut zu und tötet Jamis Freund – der Auftakt zu einer neuen Mordserie.
Von Thorsten Krüger

Alfonso Gomez-Rejon, Ausrichter diverser Folgen von „American Horror Story“, wagt mit „Warte, bis es dunkel wird“ keine Neuauflage des im Original identisch betitelten, tumb-trivialen Grindhouse-Slashers von 1976 (dt.: „Der Umleger“), sondern eine Fortsetzung, die mühelos Slasher-Hommage, Serienkiller-Thriller mit starkem Horrorgehalt und ein Coming of Age samt Provinzporträt unter einen passenden Hut bringt.

Und der ist geschmackvoll, stilistisch hochwertig und handwerklich reif, gibt damit aber nicht an, sondern bietet intertextuelle Meta-Ebenen für Kenner. So spektakulär wie „It Follows“ drängt sich Gomez-Rejon nie auf, hat aber locker die Ruhe und Sorgfalt eines Ti West in „The House of the Devil“, als Verbeugung vor einem Billig-Genre wieder mal technisch und handwerklich Meilen besser und obendrein wesentlich intelligenter.

Kriminalfall aus dem Unterbewusstsein einer Doppelstadt

Sex bedeutet Tod und auch andere Genre-Regeln werden befolgt, wenn Waisenmädchen Addison Timlin („Odd Thomas“) kurz vor ihrem Abschied zum College von der Vergangenheit ihrer Heimat brutal eingeholt wird. In „Warte, bis es dunkel wird“ forscht sie selbst nach dem Täter, was eine starke Mystery-Prägung ergibt, ein komplexer Kriminalfall mit vielen falschen Fährten direkt aus dem Unterbewusstsein einer Doppelstadt.

Der in deftigen Thrillszenen wiederholt zupackende Bestrafer und Verstümmler mit Kartoffelsack-Maske ist ein Killer aus Fleisch und Blut, agiert aber wie ein Gespenst, der Bogeyman schlechthin, dieser zentrale amerikanische Horrormythos. Dazu passt auch die traumartige Schlaftrunkenheit der nur oberflächlich simplen Dramaturgie, die mit ansehnlichem Aufwand Stil und Atmosphäre von 70er/80er-Jahre Schlitzerthrillern erzeugt.

Überlegene und überlegte technische Könnerschaft

Bis in einzelne Kamera-Einstellungen ahmt „Warte, bis es dunkel wird“ die Vorbilder nach, Lichtsetzung und Weichzeichner, Ausstattung und Kleidung stimmen genau. Die langsamen Bewegungen aus oft schrägen Kamerawinkeln und eine selbst das goldsonnige Tageslicht verdüsternde Dunkelheit verrät eine überlegene und überlegte technische Könnerschaft, die es damals selbst bei besseren Exemplaren einfach nicht gab.

Die im mehrfachen Sinne schattige Lokalgeschichte kennt einen schlauen Schwarzen als US-Marshall, eine „Scream“-Auflösung und happige Bedrohungen, illustriert Land, Leute und Mentalität, verpackt in einige Meta-Ebenen von Realität, Film und (Alp)Traum, doch auf vergleichsweise unauffällige Art, so dass nicht das große Publikum, sondern vorwiegend der feinsinnige Fachmann dieser Materie davon profitiert.

imdb ofdb

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