Kinostart: 09.04.2015, DVD/BD-Start: 12.10.2015
Ganze 13 Minuten haben gefehlt, um Hitler kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit einer selbstgebastelten Bombe den Garaus zu machen. Was wäre der Welt erspart geblieben, wenn der 50 Jahre lang totgeschwiegene Georg Elser mit seiner einsamen Gewissensentscheidung Erfolg gehabt hätte! „Wie kann ein Mensch nur so grausam versagen“, beklagt Elser, bevor er ganz kurz vor Kriegsende im KZ Dachau liquidiert wird.
Oliver Hirschbiegel („Das Experiment“) würdigt in dem sehr gegenwärtigen (Historien)Drama einem lange Vergessenen des Widerstands gegen Hitler. „Elser“ ist nicht ganz so kinotauglich und durchdringend wie der schaurige Totentanz „Der Untergang“, aber bei weitem mehr als nur eine „Prestigeproduktion“ von einem „Vorzeigeregisseur“. Christian Friedel („Das weiße Band“) gibt Elser als sensibler Handwerker viel Profil.
Obwohl das Drehbuch vom „Sophie Scholl“-Autor stammt, ist „Elser“ keine trockene Schulgeschichtsstunde oder ein verfälschender Egotrip wie Brandauers „Georg Elser – Einer aus Deutschland“, zudem Betroffenheits- und Erinnerungsfilmniveau deutlich überlegen. Zum einen verdeutlicht Hirschbiegel auf schonungslose Art, wie grausam, brutal und kalt das menschenverachtende System einen Gefangenen zum Geständnis foltert.
Im Amtszimmer des Berliner RSHA (Reichssicherheitshauptamts) verhört ihn Kripochef Nebe (Burghart Klaußner) und quält ihn Sadist und Gestapoboss Müller (Johann von Bülow). In langen Rückblenden entfaltet sich zum anderen die Biografie Elsers von 33-45, in zunächst glücklichen Tagen des „kein schöner Land“, einem authentischen Zeitporträt mit vielen akkuraten Details: Das Leben unterm Hakenkreuz in der Provinz.
Als Handwerker und Konstruktionstalent lebt er in Königsbronn auf der Schwäbischen Alb, ein musikalischer Schürzenjäger und Rotfront-Aktivist. Hirschbiegel zeichnet ein Bild der Jahre, das genau nacherleben lässt, wie der Ungeist des Nationalsozialismus die einfachen Menschen auf dem Land vergiftet, wie Repressionen, Hass und Fanatismus sich ausbreiten und den von der Volksgemeinschaft Ausgeschlossenen die Atemluft rauben.
Elsers ausgegrenzte Familie verarmt, die Liebe zu einer geprügelten Verheirateten (Katharina Schüttler, „Zeit der Kannibalen“) hat keine Perspektive, sein bester Freund hungert als Zwangsarbeiter im KZ. Wie es immer schlimmer wird, will aber niemand sehen außer ihm selbst. Achselzucken, blinder Glaube und selbstgefällige Arroganz stehen einem Mann gegenüber, der durch Zufall und mit Mut ganz allein das Unheil aufhalten will.
„Ich bin ein freier Mensch gewesen. Wenn der Mensch nicht frei ist, stirbt alles ab.“ Hirschbiegel zeigt persönliche Gründe dieses empfindsamen Humanisten, aber auch die politische und militärische Entwicklung als ausschlaggebend für den im Geheimen solo durchgeführten Attentats-Plan. Elser sagt wie es ist: „Niemand hätte mitgemacht“. Das ist der Kern der konventionellen, aber größtenteils geschickten Vergegenwärtigung.
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