Judgment

Durchwachsenes, arthaussprödes Vater-Sohn-Drama, das sich mit Thriller, Peripherieporträt und Vergangenheitsbewältigung zu viel vornimmt

Judgment Cover

aka Judgment – Grenze der Hoffnung, Sadilishteto, Stephan Komandarev, BG/D/HR 2014
Kinostart: 23.04.2015, DVD/BD-Start: 20.11.2015
Story: Mityos Milchbetrieb ist pleite und sein Haus hat eine Hypothek, die der frische Witwer nur bedienen kann, wenn er für einen reichen Ex-Hauptmann Flüchtlinge über die Berggrenze in die EU schmuggelt. Mityos Sohn Vasko macht ihm derweil schwere Vorwürfe und entdeckt ein belastendes Geheimnis.
Von Thorsten Krüger

Der Ausgangspunkt des bulgarisch-deutsch-kroatisch-mazedonischen EU-Puddings „Judgment“ ist ein Wirtschafts- und Bankrottdrama im Zeichen der Euroflagge, ein Finanzkrisenfilm, der jedoch kein Gleichnis wie „Leviathan“ oder eine Bildverführung wie „Lost River“ hervorbringt, auch wenn er es wohl gerne täte, sowie im Kontrast zu Goslings surrealem Poem am anderen Ende der Skala, am nüchternen Realismus, siedelt.

Ein untertourige (Stimmungs)Studie seiner Grenzregion breitet der Bulgare Stephan Komandarev, Doku-erprobt und für „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ mehrfach ausgezeichnet, mit Tendenz zu zäher Langeweile aus. Dunkle Ansichten von Wind, Wolken und Wäldern zerbricht er ständig mit Banalem und Unwichtigen, sortiert nicht aus, sondern überfrachtet sein Porträt der europäischen Peripherie mit zu viel Themen.

Konfrontation von Menschenfreund und -feind

Der arthausspröde Stil kann die Fülle an Sorgen und Problemen nicht bewältigen, die entweder zu kurz kommen oder überdeutlich um Bedeutung ringen: Dann doppeln die Dialoge nur, was man ohnehin gerade sieht (und die stumpfe Synchro ist auch nicht hilfreich). Als Slow Burner zwischen Vater und Sohn sowie Niedergangsbildnis einer Region gelingt „Judgment“ noch am besten, als Thriller und Drama ist er viel zu mittelprächtig.

Komandarev hat einfach keine Lust, die langen Schmuggeltouren als richtige „Lohn der Angst“-Suspense auszugestalten und benutzt die Illegalen nur als Instrument der Dramaturgie. Mit einer Konfrontation von Menschenfreund (Assen Blatechki als Mityo) und Menschenfeind (Veteran Miki Manojlovic, „Underground“, als Abschaum-Kommandant) bringt „Judgment“ zudem mörderische Schuldlasten aus der Vergangenheit ins Spiel.

Hätte eine intensivere Regiearbeit benötigt

Private Geschichtsbewältigung um den Mord an einem DDR-Flüchtlingspärchen kurz vor Ende des Kommunismus und ein Zwangslagen-Noir à la „Klopka – Die Falle“ führen zu einer „Schuld und Sühne“-Version um Trauer, Migration, Zeitgeschichte, Verbrechen und Versöhnung, was eine wesentlich intensivere Regiearbeit benötigt hätte – das handhabt Komandarev nur durchwachsen, wiewohl der Film langsam sein Herz öffnet.

imdb ofdb

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.