Ein Junge namens Titli

In dem nur phasenweise eindringlichen indischen Noir-Drama im Arthausmodus lassen die inneren Konflikte unbeteiligt

Ein Junge namens Titli Cover

Titli, Kanu Behl, IND 2014
Kinostart: 28.05.2015
Story: Titli ist der Jüngste einer Kriminellen-Sippe aus Delhis Slumbezirk. Seine beiden Brüder zwingen ihn bei brutalen Überfällen mitzuwirken. Als er fliehen will, zwangsverheiraten sie ihn mit Neelu. Mit der gleichermaßen unglücklichen Braut schließt er heimlich einen Pakt, der Verwandtschaft zu entkommen.
Von Jochen Plinganz

Obschon „Ein Junge namens Titli“ von Bollywood-Mogul Aditya Chopra koproduziert wurde, vertritt er eine Gegenästhetik zur Flamboyanz: Kanu Behl geht weiter seinem Doku-Realismus nach und bringt ein festivalkompatibles Arthaus-Sozialdrama mit Film-Noir-Handlung an. Eigentlich eine feine Kombination, wenn es nicht schlechtweg unmöglich wäre, für Menschen Mitleid zu empfinden, die selbst kein Mitleid kennen.

Das ganze Konzept der schmucklosen, äußerer Dramatik enthobenen Studie darum, wie man der Hölle einer Horror-Familie entkommen kann, basiert auf den inneren Konflikten eines schmächtigen Burschen, dessen Name übersetzt Schmetterling bedeutet, was Sensibilität und Poesie andeutet, die Behl nicht findet. Es fällt schwer, sowohl dem herrischen Mistkerl-Bruder als auch Titli selbst Gefühle abzunehmen. Zu stumpf ist die Trash-Sippe.

Zähneputzen mit Würgereflex

Wenn es ihm den Magen umdreht, bleibt der Zuschauer unbeteiligt. Was auch mit der unglücklichen Symbolik zu tun hat, wo Zähneputzen mit Würgereflex eher für Ekel/Erheiterung, denn Beklemmung sorgt. In langen, ungekürzten Szenen gewinnt „Ein Junge namens Titli“ mal mehr, mal weniger Eindringlichkeit. Kanu Behls Stilbemühungen laufen oft ins Leere, zumal er auf Suspense konsequent verzichtet und introspektiv vorgeht.

Eine Brüder-Bande, die erntet, was sie gesät hat und im Kreuzfeuer entgegengesetzter Pläne untergeht, zeigt Behl in all ihrer Erbärmlichkeit ohne jeden Gangsterglamour. Das Gezerre und Geschrei soll Verzweiflung und Verbissenheit ausdrücken, auf Brutalität, Gleichgültigkeit und Korruption einer ganzen Gesellschaft hinweisen, fällt aber meist lediglich unwürdig aus und kann ebenso wie unvermutete Heulszenen nicht überzeugen.

Nimmt sich auf Papier interessanter aus

Dabei kann sich Behl auch bei einer Riege nicht allzu fähiger Akteure bedanken, weshalb sich „Ein Junge namens Titli“ auf Papier weit interessanter ausnimmt, als er im 124-minütigen Ergebnis ist. Spannendere asiatische Crime-Noirs um des Menschen Wolf, Korruptheit auf sozialer und familiärer Ebene, gab es letztens aus den Philippinen in besserer Ausführung: „One the Job“ und vor allem „Metro Manila“ sowie „Graceland“.

imdb ofdb

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