Kinostart: 12.11.2015, DVD/BD-Start: 09.03.2016
„When Marnie Was There“ basiert auf dem vier Jahre nach seinem Erscheinen 1967 bereits in einer britischen Familienfernsehserie adaptierten Roman „Damals mit Marnie: Glückliche Ferien am Meer“ der 1988 verstorbenen englischen Kinder- und Jugendbuchautorin Joan G. Robinson. Miyazaki-Schüler Hiromasa Yonebayashi punktet nach seiner märchenhaften Däumeline-Fabel „Arrietty“ mit einem beschaulichen Coming of Age.
Dank des bereits seit Jahren eingeleiteten Generationenwechsels bleibt sich die erste Studio-Ghibli-Produktion nach dem Abschied der beiden Gründer Miyazaki („Wie der Wind sich hebt“) und Takahata („Die Legende der Prinzessin Kaguya“) treu: Einiges aus „Mein Nachbar Totoro“ schwingt mit, ebenso „Only Yesterday“, aber auch „Ein Brief an Momo“ von 2011 sowie eine Spur „The Shining“ mit seinem Overlook Hotel.
Wie so viele Animes reist auch bei „When Marnie Was There“ die ungewöhnlich verschlossen-bedrückte Hauptfigur anfangs von der Stadt aufs arkadische Land, um bei den Oiwas ein Häuschen mit Meerblick zu beziehen: Kurklima im Grünen mit Natur-Kontemplation zu federleichten Klängen. Das bei Flut abgeschnittene „Marsh House“ ist kein „Frau in Schwarz“-Spukpalast, sondern ein mysteriöses Jahrhundertwende-Gemäuer.
Hierum entspinnt sich, himmlisch frei von Action, Spektakel, Druck, Eile und Thrill, die Freundschaft zwischen zwei Mädchen, wobei Marnie entweder Annas Fantasie entspringt, oder ein Geist ist – aber kein erschreckender. Zwei mehr als nur Seelenverwandte, die von ihren Eltern alleingelassen wurden, spenden sich gegenseitig Trost: eine traurige, etwas anrührende Parallel-Geschichte von Angst, Einsamkeit und Kindheit.
Mit dem unheimlichen Silo, wo sich Annas Herkunftsgeheimnis und ihre unerklärlichen Amnesie-Anfälle auflösen, kommt das einzig Bedrohliche ins Spiel des sonst die Vergangenheit mit harmonisch-lebensbejahendem Ende enträtselnden „When Marnie Was There“. Liebevoll und universell – so könnte auch eine Ostpreußen-Familienmystery für die deutsche Kriegskindergeneration aussehen (aber so viel Fantasie hat bei uns ja keiner.)
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