Erinnerungen an Marnie

Erwachsen-entspanntes Jugend-Anime um eine sich beschaulich-schön entfaltende (Geister)Mädchenfreundschaft

When Marnie Was There Cover

Omoide no Mânî, aka When Marnie Was There, Hiromasa Yonebayashi, J 2014
Kinostart: 12.11.2015, DVD/BD-Start: 09.03.2016
Story: Aufgrund ihrer Asthmaanfälle wird die depressive Einzelgängerin Anna von ihren Pflegeeltern zur Erholung zu Onkel und Tante in ihrem Küstenhaus auf Hokkaido geschickt. Dort findet die 12-jährige eine verlassene Villa im Marschland, wo die gleichaltrige, blonde Marnie lebt. Beide freunden sich an.
Von Max Renn

„When Marnie Was There“ basiert auf dem vier Jahre nach seinem Erscheinen 1967 bereits in einer britischen Familienfernsehserie adaptierten Roman „Damals mit Marnie: Glückliche Ferien am Meer“ der 1988 verstorbenen englischen Kinder- und Jugendbuchautorin Joan G. Robinson. Miyazaki-Schüler Hiromasa Yonebayashi punktet nach seiner märchenhaften Däumeline-Fabel „Arrietty“ mit einem beschaulichen Coming of Age.

Dank des bereits seit Jahren eingeleiteten Generationenwechsels bleibt sich die erste Studio-Ghibli-Produktion nach dem Abschied der beiden Gründer Miyazaki („Wie der Wind sich hebt“) und Takahata („Die Legende der Prinzessin Kaguya“) treu: Einiges aus „Mein Nachbar Totoro“ schwingt mit, ebenso „Only Yesterday“, aber auch „Ein Brief an Momo“ von 2011 sowie eine Spur „The Shining“ mit seinem Overlook Hotel.

Zwei Seelenverwandte, die alleingelassen wurden

Wie so viele Animes reist auch bei „When Marnie Was There“ die ungewöhnlich verschlossen-bedrückte Hauptfigur anfangs von der Stadt aufs arkadische Land, um bei den Oiwas ein Häuschen mit Meerblick zu beziehen: Kurklima im Grünen mit Natur-Kontemplation zu federleichten Klängen. Das bei Flut abgeschnittene „Marsh House“ ist kein „Frau in Schwarz“-Spukpalast, sondern ein mysteriöses Jahrhundertwende-Gemäuer.

Hierum entspinnt sich, himmlisch frei von Action, Spektakel, Druck, Eile und Thrill, die Freundschaft zwischen zwei Mädchen, wobei Marnie entweder Annas Fantasie entspringt, oder ein Geist ist – aber kein erschreckender. Zwei mehr als nur Seelenverwandte, die von ihren Eltern alleingelassen wurden, spenden sich gegenseitig Trost: eine traurige, etwas anrührende Parallel-Geschichte von Angst, Einsamkeit und Kindheit.

Herkunftsgeheimnis und unerklärliche Amnesie

Mit dem unheimlichen Silo, wo sich Annas Herkunftsgeheimnis und ihre unerklärlichen Amnesie-Anfälle auflösen, kommt das einzig Bedrohliche ins Spiel des sonst die Vergangenheit mit harmonisch-lebensbejahendem Ende enträtselnden „When Marnie Was There“. Liebevoll und universell – so könnte auch eine Ostpreußen-Familienmystery für die deutsche Kriegskindergeneration aussehen (aber so viel Fantasie hat bei uns ja keiner.)

imdb ofdb

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.