Kinostart: 25.06.2015
Wer „Atlantic.“ ein Surferabenteuer oder Immigrationsdrama zum afrikanischen Exodus nach Europa nennt, hat nichts verstanden. Das kraftvolle und bildmächtige Zweitwerk des Niederländers Jan-Willem van Ewijk („Nu.“) entzieht sich Kategorien von Action, Thesen und Arthaus, sondern steht weit über ihnen. Genau genommen schwebt er so zeitlos und introvertiert wie seine stille Hauptfigur: kontemplativ, tiefgehend, überwältigend.
Das Meer glänzt wie ein Spiegel. Kannst du dich und mich darin erkennen? In Voice Over und Rückblenden geben Fettahs Gedanken Besinnlichkeit, Abschiedsmelancholie und Sehnsuchtsversunkenheit wieder. Er surft die Küste nach Norden entlang, übernachtet an einsamen Stränden, geht barfuß durch Casablanca und Seebäder. Van Ewijk kostet die Stimmung in „Atlantic.“ aus, Ozean, Brandung und Wind sind sinnlich zu spüren.
Die naturbelassene, pure, große Schönheit, aber auch die allgegenwärtige Gefährlichkeit des Meeres findet die grandiose Kamera durch Nah- und Fernstudien, die fein-tragische Musik und die Geräusche des Wassers runden die Liaison aus Lyrik und Realismus ab. Fettahs Sprünge als Windsurfer sind solche in die Freiheit, Ausdruck eines individuellen Verlangens, das weder Allgemeinplätze noch politische Botschaften enthält.
Seine Cousine Rahma begehrt ihn, Fettah begehrt Alexandra (Thekla Reuten, „The American“), ein unglückliche Konstellation unerfüllter Liebe, die nur mit subtilen Gesten und Blicken auskommt, dafür um so schmerzvoller wirkt, sowie poetisch und meditativ: Was er alles aufgibt (die kleine Wisal, der er wie ein Vater ist), was er an Lebensgefahr auf sich nimmt, wie er moribund auf dem Meer treibt. So ganz anders als „All is Lost“.
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