Amy

Amy Cover

Asif Kapadia, GB 2015
Kinostart: 16.07.2015

Erst hatte Asif Kapadia, Londoner Regisseur mit indischen Wurzeln, es abgelehnt eine biografische Doku über die kurz zuvor an einer Alkoholvergiftung gestorbene Soulsängerin Amy Winehouse zu realisieren. Bis er herausfand, dass sie im gleichen Stadtteil wie er lebte – Camden. Woraufhin er mit jener Kompetenz, Energie und vor allem: Ausdauer loslegte, die seine vorangegangene Doku „Senna“ als unbedingt bewegendes Erlebnis auszeichnete.

„Ich glaube nicht, dass ich berühmt werde. Ich kann damit nicht umgehen und würde verrückt.“ Mit dieser Prophetie in jungen Jahren trat Amy Winehouse dem Club 27 bei, jenen Rockstars und Musikern, die mit 27 Jahren starben, wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison und Kurt Cobain. Ihre Gesangs- und Drogenkarriere bis zur tödlichen Überdosis 2011 fächert Kapadia nicht mit den üblichen Auftritten und Backstage-Szenen auf, macht es sich nicht so leicht wie die meisten Musikdokus.

Aufwühlende Chronik eines kurzen Lebens

Er bündelt sagenhaft viele Interviews, Telefon-Mitschnitte und Tondokumente als Off-Begleitung zu Privatvideos aus Amys persönlichem Umfeld. Ein Aufwand, der lohnt und eine vielschichtige Chronik eines kurzen Lebens ergibt, der Aufstieg und Untergang als menschliche Tragödie mit Ansage ohne Aufgeregtheit nahe bringt. Ganz nahe. So nah, dass es aufwühlt. Ohne Verklärung porträtiert Kapadia Winehouse. Er macht keinen Mythos aus ihr. Gerade das erhebt sie zu einem, und zwar zu Recht.

Das als Zukunft des Jazz titulierte Soul-Jahrhunderttalent ist ein Sweetheart ohne Allüren, aber mit großer Klappe, eine, die derbe Witze reißt, jeden unter den Tisch säuft und gerne mal was raucht. Sie ist verletzbar mit Hang zur Selbstzerstörung, instabil, von Jugend an depressiv und bulimisch. Es folgen immer wieder falsche Entscheidungen, die Liebe zu Blake Fielder-Civil, einem toxischen Typen, der mit ihr harte Drogen nimmt. Und auch Amys zwiespältiger Vater ist definitiv Teil des Problems und nicht der Lösung.

Schmerz verwandelt sich in Kunst

Ungewohnt kritisch legt Kapadia beider schädlichen Einfluss offen – so viel Direktheit wagt kaum eine Doku. „Amy“ beschönigt nichts. Die hässlichen Seiten der Sucht und der körperlich-geistige Verfall sind erschreckend. Wenn es nicht zahllose Aufnahmen der Songtexte gäbe: Deren Schmerz verwandelt sich in Kunst und berührt direkt, tief. Man ist elektrisiert und sieht den biografischen Nexus bei „Stronger Than Me“, „Back to Black“ und „Rehab“. Wer das hört, zittert. Kapadia überlässt es Amy Winehouse selbst, ins Herz zu treffen. Was sie wie niemand sonst vollbringt. Rest in Peace, Amy.

Sir Real

imdb ofdb

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