Kinostart: 27.08.2015, DVD/BD-Start: 03.03.2016
Das gibt es noch: Märchenadaptionen, die kein Familienvergnügen anstreben. Der Römer Matteo Garrone, bekannt geworden durch die Mafia-Anklage „Gomorrha“, setzt der gängigen Disney-Putzigkeit („Die Eiskönigin“) und den Fantasyspektakeln mit ihrer Pixelmanie („Der Hobbit“) einen ganz eigenen Stil entgegen, der altmeisterlich von Ruhe, Klarheit, Prägnanz und einer Ästhetik mit kräftiger Farbdramaturgie geprägt ist.
„Das Märchen der Märchen“ basiert auf dem um 1635 erschienenen „Pentameron“ von Giambattista Basile, der seitdem als Europas erster großer Märchenerzähler gilt. Drei abwechselnd erzählte Geschichten um Gier, Nazismus, Begierden und Größenwahn stellen die Könige eines verwunschenen Gebirgswaldes als Wahnsinnige dar: immer Ärger mit dieser triebgesteuerten Adelsbrut, der es eklatant an Weitsicht mangelt!
Nach dem harten Trostlos-Realismus seiner Camorra-Schau findet Garrone zum kühl-historischen Duktus eines „Die Bartholomäusnacht“. In gemächlichem Rhythmus entfaltet sich ein bizarres Panorama, das gewisse Parallelen zur Schrägheit eines Leos Carax in „Holy Motors“ aufweist. In den maliziösen Moral-Parabeln mit ihren kuriosen Kreaturen wird Phantastisches wie selbstverständlich und mit aller Ernsthaftigkeit behandelt.
Unter Verzicht auf „Game of Thrones“-Ränkespiele oder den Deko-Barock eines Christophe Gans („Die Schöne und das Biest“) zeigt „Das Märchen der Märchen“ eine deftige Portion Sex und Gewalt und spielt zarte Musik zur blutigen Realität. Das bleibt bei 130 Minuten nicht ohne Längen, Garrones Regiekunst und die Darsteller (Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C. Reilly) erzeugen aber ein einzigartiges Ambiente.
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