Unsere Wildnis

Unsere Wildnis Cover

Les saisons, aka Seasons, Jacques Perrin, Jacques Cluzaud, F/D 2015
Kinostart: 10.03.2016, DVD/BD-Start: 13.07.2016

Die beiden profilierten Profis der Naturdoku, Jacques Perrin und Jacques Cluzaud, die hinter den Publikumserfolgen „Nomaden der Lüfte“ (2001) und „Unsere Ozeane“ (2009) stehen, widmen sich diesmal den europäischen Urwäldern, die einst den Kontinent überzogen. Ihr Ansatz ist so einfach wie brillant: Nach 80.000 Jahren Eiszeit endet der Winter, bis vor 12.000 Jahren die Quellen wieder fließen und die Jahreszeiten zurückkehren, weshalb „Unsere Wildnis“ im Original „Les saisons“ heißt. Anstatt pädagogische Vorträge zu halten und alles mit einem Kommentar vollzukleistern (wie bei „Das Geheimnis der Bäume“ oder „Planet Deutschland“), hält sich der Sprecher – in der Synchro Sebastian Koch („Bridge of Spies“) –, anders als der Trailer suggeriert, angenehm zurück und sagt nur alle paar Minuten mal ein Wort.

Denn für jeden, der Bison, Wolf oder Fuchs identifizieren kann, sind die Bilder selbsterklärend. Perrin und Cluzaud beobachten einfach nur Verhalten und (Lebens)Kreisläufe in den Wäldern. Sie sind an spektakulären Orten ganz nah dabei, ohne ihren Aufwand auszustellen. Vielmehr steht er mit einigen Tricks im Dienst einer Dramaturgie, die kleine, kurze Geschichten von großen bis zu ganz kleinen Tieren erzählt und geübt auf Details achtet. Geräusche und Laute sind erlebbar, die sanfte Musik ist so dezent wie der Kommentar, das Geschehen wunderbar montiert, liebenswert und witzig, ohne die Protagonisten zu Putzigem zu disneyfizieren, selbst wenn die Kamera bei Verfolgungsjagden einem Actionfilm gleich mitrast.

Mit Erscheinen des Menschen verschwindet eine ganze Welt

Mit feinem Gespür fördert „Unsere Wildnis“ das Faszinosum zutage und macht die Bedrohung fassbar, wenn der erste Mensch auftaucht, um Bäume zu fällen. Das Ausmaß an Tragik und Unglück vom Krieg gegen die Natur – ein Schnitt vom Giftgas der Schützengräben des Ersten Weltkriegs auf den Einsatz von Insektiziden spricht Bände – fällt beklemmend und bedrückend aus. Der Mensch ist eine geologische Kraft geworden. Mit ihm beginnt eine neue Ära – und eine ganze Welt verschwindet. Aber noch hat die Natur nicht kapituliert: Perrin und Cluzaud wahren Haltung und verbreiten tapfer eine Noch-ist-es-nicht-zu-spät-Botschaft. Doch eigentlich beantworten sie die Frage „was ist uns noch geblieben vom goldenen Zeitalter des Waldes?“ mit einer hymnischen Inventur dessen, was wir alles verlieren oder längst verloren haben.

Sir Real

imdb ofdb

3 Gedanken zu „Unsere Wildnis“

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