Kinostart: 26.05.2016
Ein Berliner Partyluder erhält einen missgestalteten Doppelgänger, der aussieht wie Belial aus „Basket Case“, jedoch keine Menschen mordet, sondern ein harmloser Kühlschrankschreck ist, auf den erst die Protagonistin, dann alle anderen bestürzend hysterisch reagieren, worin die Tragik von „Der Nachtmahr“ liegt, der sich verwegen und experimentell in ausgefallener Form und Technik mit Teenage Angst auseinandersetzt.
Nach „Das wilde Leben“ und einigen TV-Filmen gab sich Achim Bornhak den klingenden Künstlernamen Akiz, kollaborierte mit Banksy und wurde mit Kunstprojekten im New Yorker MoMA ausgestellt. Seine Rückkehr ins Kino bleibt seinem Anspruch treu, Konventionen hinter sich zu lassen und im ersten Teil seiner geplanten „dämonischen Trilogie“ von „Geburt, Liebe, Tod“ ambitioniert Phantastik metaphernreich zu modernisieren.
Das Monster in dir: „Der Nachtmahr“ beschreibt das Gefühl, das keinen Namen hat – Pubertät eben. Aber zugleich sehr viel mehr: Die von Akiz selbst modellierte Figur – zwischen Embryo und E.T. – steht für Orientierungslosigkeit, Essstörungen, Schwangerschaft, Unsicherheit, vor allem aber für eine Existenzkrise, für eine langsam ablaufende Psychose, in der Fernsehdarstellerin Carolyn Genzkow überzeugend den Verstand verliert.
Schon der Psychotrip zu Beginn, der darin gipfelt, ihr eigenes Todesvideo zu sehen, ist so verstörend wie von David Lynch persönlich inszeniert. Surreale Träume und expressionistische Farbgestaltung sowie die hämmernden Beats im Stroboskopgewitter, das jeden Epileptiker ins Tilt-Nirvana schießt, bedingen eine ganz eigene, ungewöhnlich radikale Zugedröhnt-Atmosphäre, in der Ton- und Bildtechniker ganze Arbeit leisten.
Musik, Szene und Typen ergeben ein sehr authentisches Jugendporträt, bei dem Wilson Gonzalez Ochsenknecht als Tinas Freund zumindest mal nicht negativ auffällt, die stereotyp gezeichneten Spießereltern dafür um so mehr. Die Vertrauenskrise und die kollabierende Kommunikation sind grob geschnitzt, das Psychodrama kommt dennoch an, wenn Tina zu dem wird, wovor sie am meisten Angst hat: zur Außenseiterin, zu einem Freak.
Wie sie die Manifestation ihrer deformierten Psyche schließlich umarmt und sich mit einem Lady-Gaga-Auftritt outet, fällt berührend aus, und das Schockende von „Der Nachtmahr“ hallt einige Zeit lang nach. Summarisch: gutes deutsches Genrekino (wie zuletzt „Blutgletscher“ oder „Stereo“), das aber zugleich in die Avantgarde vorstößt und mir aus nicht näher benennbaren Gründen die bizarre Lovestory „Spring“ ins Gedächtnis ruft.
imdb ofdb
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