Kinostart: 19.05.2016, DVD/BD-Start: 22.09.2016
Es ist diese Empathie, aus der sich eine emotionale Kraft speist, die höchsten Ansprüchen genügt, weshalb ich die „X-Men“-Reihe in der Flut von Comicadaptionen so ziemlich als Einzige schätze. Das liegt in der Personalie Bryan Singer begründet, der zum vierten Mal seit 2000 das Zepter übernimmt und nichts mit seelenloser Effektdröhnung übertüncht, sondern die Marvel-Mutanten aufwühlend als menschliche Wesen ausweist.
So zeichnet sich „X-Men: Apocalypse“, der achte Auftritt dieses Heroen-Ressorts, durch ein herzergreifend aufspielendes Starensemble aus, deren Motivationen exzellent sind. Die Außenseiter, die Ausgrenzung und Unrecht, aber auch Seelengefährten und Liebe erfahren, finden zu einer vielfältigen Palette von Gefühlsausdrücken, im Zwischenmenschlichen viel Humor und lassen liebevoll die 80er Jahre-Popkultur aufleben.
Im Auftakt steht zunächst Übles zu befürchten, wenn im Niltal anno 3600 BC das Pathos derart pompöös! ist, dass man sich in einem Epigon des grottigen „Gods of Egypt“ wähnt, aufgeblasener CGI-Overkill mit einbegriffen. In Retro-Look und -Musik aber findet „X-Men: Apocalypse“ ausgerechnet im raschen Schauplatzwechsel (samt Cagefight in Ostberlin) zu sich, weil Singer am umfangreichen Ensemble echtes Interesse zeigt.
Die Klasse von „Panem“-Heldin Jennifer Lawrence, Michael Fassbender („12 Years a Slave“), James McAvoy („X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“), Nicholas Hoult („Mad Max“), Oscar Isaac („Ex Machina“), Kodi Smit-McPhee („Planet der Affen“) und Rose Byrne („Insidious“) – um nur einige zu nennen – hilft, aber bei all den Figuren die Übersicht zu wahren und sie in einem bündigen Plot zu handhaben, verrät wahre Könnerschaft.
Da verzeiht man Singer, selbst jüdischer Abstammung, wie er den Auschwitz-Besuch bemüht, um Holocaust-Exploitation hervorzubringen und einen Schmerzensmann zu etablieren. Andere (politische) Anspielungen, etwa auf den islamistischen Terror, sind dafür weitaus subtiler verpackt. Allein der Cameo von Wolverine (Hugh Jackman, „Prisoners“) bringt in fünf Minuten mehr rüber als die beiden unfassbar trashigen „Wolverine“-Spin-Offs.
Selbst das Finale mit seinem pflichtschuldigen Actionbombast lässt sich goutieren. Hinter all der Freakshow mit großem Herz für Unterdrückte steht ein Toleranz-Plädoyer mit so vielen berührenden Momenten, das man zweieinhalb Stunden „X-Men: Apocalypse“ trotz aller Genre-Konventionen (derzeit sind Bruderkriege in: vgl. „Batman v Superman“ und „The First Avenger: Civil War“) als Geschenk empfangen kann.
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