Kinostart: 01.09.2016, DVD/BD-Start: 12.01.2017
22 Jahre, nachdem er mit dem Schock-Drama „Die letzte Kriegerin“ seine internationale Karriere startete und anschließend in Hollywood zwei Dekaden lang mit Mainstream-Durchschnitt versauerte („Stirb an einem anderen Tag“), kehrt Lee Tamahori in seine Heimat zurück. „Mahana“ hat nicht ganz die Durchschlagskraft von 1994, aber mit manch Mitwirkenden des Debüts findet er zu seinen lange vermissten Stärken zurück.
Am augenfälligsten ist der Hauptdarsteller von damals, Temuera Morrison, der zwar keinen prügelnden Alkoholiker mehr gibt, aber immer noch einen Drecksack, einen Familientyrann, der seine Sippe mit gnadenloser Härte zusammenhält. Als heranwachsender Simeon, der statt Muskeln Köpfchen hat, debütiert Akuhata Keefe, eine phantastische Entdeckung. Beide brillieren im Spannungsfeld von Coming of Age und Familiendrama.
„Mahana“ basiert auf dem autobiografisch gefärbten Buch des „Whale Rider“-Verfassers Witi Ihimaera, der als bedeutendster lebender Māori-Autor gilt und die Geschichte 1994 als „Bulibasha: King of the Gypsies“ veröffentlichte. Die nostalgisch angehauchte Saga im Zeitkolorit der 60er mag vorhersehbar ablaufen, aber sie tut es hochklassig. Nicht selten fühlt man sich an Trygve Gulbranssens „Und ewig singen die Wälder“ erinnert.
Wie das Skandinavien-Epos erzählt auch Tamahori von zwei Clans, die wie Shakespeares Capulets und Montagues verfeindet und zugleich tragisch miteinander verbunden sind. Den Mut, die von allen verschwiegene Wahrheit laut auszusprechen und sich gegen unheilvolle Traditionen durchzusetzen, bringt nur einer auf, wodurch auf indirektem Wege eine Lovestory in wunderbar klassischer Melodram-Manier zur Geltung kommt.
Mit Literaturzitaten („Familie ist Tyrannei“) und einer Giuseppe Tornatore gleichenden Hingabe zum Kino („Zähl bis drei und bete“ von 1957 wird immer wieder gezeigt und zitiert) beschreitet „Mahana“ mit leisem Humor und vielen strukturellen Anleihen beim Western den langen Weg zur Befreiung aus der Knechtschaft und den späten Sieg der Gerechtigkeit. Das geht nicht nur wegen dem still erduldeten Schicksal der Beteiligten nahe.
Sondern auch als Gleichnis auf die Befreiung der Maori aus der Unterdrückung durch britische Kolonialherren. Tamahori hat im Alter die Zeit, tief vergrabenen Konflikte heranreifen und sich schlussendlich wirkungsstark entfalten zu lassen. Kurz nach dem hiesigen Start eines weiteren Neuseeland-Dramas, „Das Talent des Genesis Potini“, offenbart er traditionelles Erzähl-Kino ohne Knalleffekte, das es so immer seltener gibt.
imdb ofdb
Der Film war mir zu gewöhnlich, aber wahrlich eine nette Abwechslung zur Explosionsopern-Flut und eine solide Rückkehr Tamahoris zur alten, bodenständigen Form. Melodramen sieht man leider viel zu selten 😉