Kinostart: 13.10.2016
Der Loser und die Leiche: Der Spielfilmerstling der für ihre absurden Kurzfilme („Interesting Ball“) bekannten Werbefilmer Dan Kwan und Daniel Scheinert, stets als „Daniels“ in den Credits verzeichnet, ist nicht minder absurd und grotesk, ein Zwei-Personen-Stück am Strand und im Wald. In der Robinsonade, die herzlich wenig mit „Cast Away“ gemein hat, spielt Daniel Radcliffe den „Swiss Army Man“ als wiederholten Lebensretter.
Als wollte der ehemalige Harry Potter sein Kinderfilmstar-Image demontieren, sucht er sich radikale Rollen aus (vgl. „Imperium“ und „Horns“) und macht im Film mit der furzenden Leiche nichts falsch. Sein Partner ist der seit „Little Miss Sunshine“ auf Schrullen abonnierte Paul Dano („Ewige Jugend“) in einer Darbietung zwischen Michel Gondrys DIY-Schrottbasteleien („Der Schaum der Tage“) und Dadaist Quentin Dupieux („Rubber“).
„Swiss Army Man“ bedient den bizarren Geschmack, aber dass er so ist wie (vermutlich) kein anderer Film, gereicht ihm viel zu selten zum Vorteil. Weder ist er bewegend noch erheiternd oder gar geistreich, geschweige denn kurzweilig oder originell. Dano ist ein echter Weirdo, dem man lieber aus dem Weg geht. Und Radcliffe als Multifunktions-Toter, der bald zu sprechen anfängt, ist ein deus ex machina, bei dem alles möglich ist. Na und?
Beide führen eine Grundsatzdiskussion über Leben, Liebe, Frauen, Masturbation, Jurassic Park und Netflix. Es sind jedoch Pubertierende-Gespräche, die Geschmacksgrenzen überfahren und Körperflüssigkeiten melken, während sie einem großen Kind die Existenz erklären. „Ich bin ein Freak“, schreit „Swiss Army Man“ und bezieht mit seiner Männerfreundschaft das Dschungelcamp, das rasch ins beliebig Fantastische umschlägt.
Dafür gab es den Regie-Preis von Sundance und die Ehre das Fantasy Filmfest 2016 zu eröffnen. Aber es gibt Gründe, wieso andere Filme nicht so sind wie dieser. Denkt man „Swiss Army Man“ vom Ende her, ist er wohlersonnen. Dann offenbart er das Tragikomische, wenn das Imaginäre mit der realen Welt (Mary Elizabeth Winstead, „Alex of Venice“) ringt und das Verrückte siegt. Das hat seinen Moment, stürzt aber gleich wieder ab.
Das nervtötend Selbstverliebte spiegelt sich im Soundtrack, der mit seiner Melodramatik gewaltig überzieht. Die Reise in den Kopf eines Outsiders gelangt zu Selbsterkenntnis, dass ihn alle verachten und gipfelt in der Ode an einen Irren. Aber die Daniels nehmen nie richtig Fahrt auf, trödeln mit Musical-Abstechern viel herum und begnügen sich mit der Ausstellung der abgefahrensten Geschmacksblüten. Das reicht immerhin zum Unikat.
imdb ofdb
Hehe. Ich fand den ganz entzückend, kann aber auch verstehen, wenn der nicht so ankommt. Es kann jeder etwas für sich herausziehen, was man von vielen anderen Filmen, die universell laufen, nicht so behaupten kann. Aber, hier haben sogar einige wenige das Kino vorzeitig verlassen.