Kinostart: 22.09.2016
Immer noch der große Wahrheitssucher, der keine Kontroverse scheut: Oliver Stone, dessen Dokudrama über Edward Snowden auch seine eigene Biografie spiegelt. Indes fehlt das Feuer, die Energie aus „JFK“, die Wucht aus „Platoon“, die Gabe, einem dem Boden unter den Füßen wegzuziehen wie in „Wall Street“. Dennoch: „Snowden“ ist immer noch ein sehenswertes Statement – aber lange nicht das Meisterwerk, das es hätte sein können.
Stones ruhiger bis intimer Ansatz fällt im Vergleich zu Bill Condons frenetischem „Inside Wikileaks“ stark ab, kann aber auf eine womöglich oscarreife Leistung von Joseph Gordon-Levitt („Inception“, „Don Jon“) bauen, der den stillen Helden wider Willen bis ins Detail am Original ausrichtet. An seiner Seite agiert Shailene Woodley („Das Schicksal …“) als Freundin und Gewissen in einer nicht sonderlich dankbaren Rolle.
„Snowden“ nimmt sich chronologisch den Lebenslauf eines Patrioten vor, der unwissentlich für den militärisch-industriellen Komplex die ultimative Ausspäh-Cyberwaffe entwickelt und peu à peu entsetzt das Ausmaß der globalen Kontrolle erkennt. Wenn der arglose Programmierer sieht, was seine Software anrichtet und wie damit Menschen ermordet werden, kann man seine Enttäuschung über die Obama-Regierung nachvollziehen.
Trotz Hochkaräter wie Melissa Leo („Prisoners“), Zachary Quinto („Star Trek“), Rhys Ifans („Another Me“) oder Tom Wilkinson („Belle“) zündet aber das Beziehungsdrama nicht und der Whistleblowerthriller nur bedingt. Obwohl Terrorismus nur als Ausrede für wirtschaftliche und soziale Weltüberlegenheit dient, die jeden betrifft, wirkt ihre Vergegenwärtigung nur moderat beunruhigend, weil Stone filmische Mittel nicht ausschöpft.
Angelpunkt bildet Snowdens Enthüllungs-Treffen mit Laura Poitas in Hongkong, was in ihrer Doku „Citizenfour“ wesentlich beklemmender und aufregender ausgeführt wird. Machtmissbrauch, Widerstand und nach langem Zögern Verrat an einer Regierung, die die ganze Welt verraten hat, an „Friedensnobelpreisträger“ Barack Obamas Verbrechen jenseits demokratischer Kontrolle, das alles findet nur verblüffend verhalten Ausdruck.
Erst in der Schlussrede brechen sich feierliches Pathos und jene Emotionen Bahn, die „Snowden“ bis dahin abgehen.
imdb ofdb