Kinostart: 01.12.2016
Amerika braucht Helden und versichert sich in zyklischen Abständen gerne seiner eigenen unerschütterlichen Tauglichkeit. „Sully“, „Deepwater Horizon“ und demnächst „Hacksaw Ridge“ ergeben eine Zufalls-Häufung, in denen bescheidene Alltags-Heroen besungen werden, Underdogs zum Anfassen, die abgehobenen Eliten eines verdorbenen Systems trotzen – passend zur aktuellen politischen Situation der Unsicherheit in den USA.
Regie-Veteran Clint Eastwood („Erbarmungslos“) bietet nicht etwa seine republikanische Weltsicht feil, sondern sucht den Menschen im Trubel, den seine Aktion ausgelöst hat – für die Medien und die Bürger ist er ein Held, ein perfides Komitee indes versucht, ihm aus allem einen Strick zu drehen. In dieser emotionalen Ausnahmesituation durchleben Tom Hanks und Aaron Eckhart („The Dark Knight“) als Copilot schlaflose Nächte.
Hanks mimt nach „Captain Phillips“ abermals bestechend unglamourös den unerschrockenen Alltagsheld mit Nerven aus Stahl, einen erfahrenen, ehemaligen Kampfjet-Pilot, dessen Kühnheit 155 Menschenleben rettet. Manchmal denkt man auch an „Apollo 13“ (noch ein Film mit Hanks). Wenn sein Passagierjet im Tiefflug über Manhattan donnert, erleben die New Yorker eine Schrecksekunde, da ihnen 9/11 noch in den Knochen steckt.
„I don’t feel like a hero“: Sully hat nur seinen Job gemacht und ist nun überwältigt von den Auswirkungen, wird von Selbstzweifeln, Bankschulden und Versicherungsquerelen seines Arbeitgebers geplagt: Deren Computersimulation ergibt, er hätte problemlos zum Flughafen zurückkehren können. Eastwood tritt nun an, Sullenberger reinzuwaschen, indem er seine Sicht der Geschehnisse übernimmt, wie es seine Autobiografie schildert.
Statt einer geradlinigen Actiondetonation wie „Deepwater Horizon“ versucht sich der 86-jährige Regisseur an einem verhaltenen Drama auf Augenhöhe. Er verzichtet weitgehend auf Sensationseffekte wie in Robert Zemeckis’ „Flight“, in dem Denzel Washington 2012 vom Retter zum Alkohol-Sünder abstieg. Doch zwischen Alpträumen, Simulationen und mehrfachen Reenactment verheddert sich Eastwood zunehmend unsubtil.
Die Rückblendenstruktur kompliziert den Film – unnötige Flashbacks in die Jugend und Redundanzen bei der Absturzsequenz sprechen nicht für Stringenz. Diese Unentschlossenheit, was „Sully“ nun sein will (Biografie? Subjektives Erleben? Heldenverehrung?), bremst und behindert die volle Entfaltung der verworrenen Narration, die immer wieder starke Momente hat, aber nie mehr als die Summe ihrer Einzelteile werden will.
Abgesehen vom überflüssigen Kniefall-Ende beschäftigt sich Eastwood ohne jedes Pathos mit einem Mann, der beim Treffen mit den Passagieren sagt: „We all did it. We survived.“ Diese Selbstsicht spielt auf die gemeinsame Überwindung des 9/11-Traumas an. Die Rührung der Fluggäste, als sie realisieren, unversehrt überlebt zu haben, ist unvergleichlich – weil ihr Pilot das vorbildliche Gegenteil des Costa-Concordia-Kapitäns ist.
imdb ofdb
Ein Gedanke zu „Sully“