Die versunkene Stadt Z

Die Vermessung der Welt als Hybris des weißen Mannes: biografisches Forscherportrait, wohltuend frei von Abenteuer-Modernismen

Die versunkene Stadt Z Cover

The Lost City of Z, James Gray, USA 2016
Kinostart: 30.03.2017
Story: 1906 bricht der britische Colonel Percival Fawcett in den Amazonas auf – die letzte Chance für ihn und seine Frau Nina auf gesellschaftlichen Aufstieg. Mehrfach kehrt er in die grüne Hölle zurück und vernachlässigt seine Familie, findet jedoch nie jene versunkene Hochkultur, der er Zeit seines Lebens nachjagt.
Von Sir Real

Realismus statt Eskapismus lautet die Devise, mit der James Gray seinen New Yorker Gangsterhinterhof („The Yards“) verlässt und sich nach dem großartigen Melodram „The Immigrant“ einem weiteren historischen Stoff andient, der zu überzeugen weiß. Das ist im besten Sinne altmodisches Charakterdrama, Lebenslauf-Porträt und klassisches Abenteuer, eine faktennahe Entdeckung der Langsamkeit anstelle von Hollywood-Hektik.

Entgegen moderner Gepflogenheiten der Post-„Indiana Jones“-Ära, mit inhaltsleerem Affentanz wie „Kong: Skull Island“ der Spektakelsucht zu frönen, adaptiert Gray David Granns Tatsachen-Bestseller „Die versunkene Stadt Z“ von 2009 um den britischen Forschungsreisenden Percival Harrison Fawcett, der 1925 im Urwald verschollen ging, als Low-Key Period-Piece, das sich Zeit nimmt, aber eine reiche emotionale Ernte einfährt.

Grenzgänger im Herz der Finsternis

Grays Fähigkeiten als Regisseur und Drehbuchautor sind die eine Hälfte, die Qualitäten von „Sons of Anarchy“-Biker Charlie Hunnam (der mitunter Brad Pitt zum Verwechseln ähnelt) als Abenteurer auf dem Jagd nach dem Glück, das sich nie erfüllt, die andere, die ein stimmiges Ganzes ergeben, das Anleihen bei Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ ebenso nimmt wie bei den Grenzgängern eines Werner Herzog („Fitzcarraldo“).

„Die versunkene Stadt Z“ handelt davon, wie jemand alles opfert, um sich einen Traum zu erfüllen, Zeit seines Lebens aber daran gehindert wird, ihn zu realisieren. Das nuancierte Porträt von Fawcett zeigt ihn als aufgeschlossenen Kämpfer der Ethno-Aufklärung in einer bornierten, engstirnigen Standesgesellschaft – das „Z“ des Titels steht für das letzte Rätsel der Menschheitsgeschichte, die Frage, ob es im Dschungel Hochkulturen gab.

Realismus statt Eskapismus

Was das rassistisch-überheblich Weltbild der Briten aus den Angeln zu heben droht und entsprechend sabotiert wird. Andererseits verbietet Fawcett seiner Frau (Sienna Miller, „High-Rise“) die Emanzipation – solche Widersprüche verleihen seinem lebenslangen Streben Profil. Der finale Aufbruch ohne Assistent („Twilight“-Vampir Robert Pattinson) lehrt mit seinem Scheitern den Unterschied zwischen Fantasie und herber Wirklichkeit.

imdb ofdb

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