Sieben Minuten nach Mitternacht

Sieben Minuten nach Mitternacht Cover

A Monster Calls, J.A. Bayona, 2016
Kinostart: 04.05.2017

Alle Welt ist voll des Lobes für die Fantasy-Parabel „Sieben Minuten nach Mitternacht“, obwohl diese ihr Sterbe-/Abschiedsdrama als unbedingt wertvolle Sonderpädagogik mit allem tränenreichen Pathos auswalzt, bis jeder begriffen hat, wie wichtig und ernsthaft ihre Themen sind. Der Katalane J.A. Bayona, gefeiert für seine Gothic-Geistergeschichte „Das Waisenhaus“ (obwohl sein Tsunami-Drama „The Impossible“ eigentlich der bessere Film war), hat sehr wohl einiges drauf. Aber er will einfach zu viel.

Langsam, behutsam und einfühlsam zeichnet er das quälende Dasein des 13-jährigen Mobbingopfers Conor nach, dessen Mutter („Rogue One“-Rebellin Felicity Jones) schwer erkrankt ist und der sich, zur Tante (unnahbarer Drache: Sigourney Weaver) abgeschoben, ein bedrohlich wütendes wie väterlich beschützendes Baummonster erträumt, das ihm drei Geschichten erzählt. Diese sind symbolschwangere Lebenshilfe und ergründen die Komplexität des menschlichen Seins.

Nostalgische Phantasievorstellungen

Patrick Ness, der sein eigenes Kinderbuch adaptiert, gelingt das gewiss tiefgründiger als Spielbergs „The BFG“. Dafür schiebt sich das Gleichnishafte vor alles andere und entwickelt etwas Didaktisches, das beim (vermutlichen) Vorbild „Pan’s Labyrinth“ nie so dick aufgetragen wirkte. Darin liegt auch Bayonas Stärke und Schwäche zugleich: Die Tour de Force des Hauptdarstellers (Lewis MacDougall aus „Pan“) ist tränenreich – aber weder er noch andere Figuren gehen einem nahe. „Sieben Minuten nach Mitternacht“ walzt seine Leiden bis zur emotionalen Pornographie aus und schwelgt in Ergriffenheit, die am Zuschauer abprallt.

Zweifellos ist „A Monster Calls“ (OT) kein schlechter Film, auch wenn er arg auf seinen Metaphern herumreitet. Die nostalgische Phantasievorstellungen gleichen Harry Potters Hogwarts aus Tim Burtons Blickwinkel, das Coming of Age besticht durch seine Reife. Nur das Monster selbst (gesprochen, na ja, eher gebrummt von Liam Neeson) ist die übliche Computerkreation und einfach zu viel des Guten – so wie alles andere auch. Also abwarten, ob Bayona nächstes Mal seinen Lorbeeren mehr gerecht wird.

Max Renn

imdb ofdb

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