Kinostart: 01.06.2017
„Und täglich grüßt das Murmeltier“ als Teenage Angst Mystery mit (Nächsten)Liebesbotschaft: Macht man sich die Mühe, hinter die Teen-Pastiche von „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ zu schauen, findet man mehr als nur Sisyphos-Motive mit „Butterfly Effect“. Dann verwandeln sich Stereotypen in ein gefühlvolles Coming of Age, ein Abschiednehmen, wie man von seinen Liebsten erinnert werden möchte.
Nach Lauren Olivers YA-Bestseller von 2010 (der unfassbar umständliche deutsche Buchtitel wurde leider übernommen) nutzt dies die moralische Fallhöhe eines bissig-zickigen „Girls Club“, einer hippen In-Crowd, deren nettestes Mitglied Sam (einnehmende und bewegend: Zoey Deutch aus „Beautiful Creatures“) so oberflächlich ist, dass sie natürlich einer Läuterung bedarf: Die Mitläuferin muss ihre negativen Eigenschaften ablegen.
Das Filmmotto „Was würdest du tun, wenn heute dein letzter Tag wäre?“ gibt eine Handlungsanleitung, über die man streiten kann. Wo Sam erst achtlos und verletzend agiert, beginnt sie extremen Narzissmus, Mobbing und Seichtigkeit zu hinterfragen, um Tiefsinn, Empathie und Agape zu entfalten, zugleich den Wert von (wahrer) Freundschaft und Liebe schätzen zu lernen. Das mag konventionell erscheinen, hat aber seine Qualitäten.
Nicht umsonst hat Lauren Oliver Philosophie und Literatur studiert, und Ry Russo-Young („Versuchung“) gelingt es, sich gut in die Welt dieser Sam einzufühlen, sowohl beim Feiern des Girlie-High-Life, als auch bei der Entdeckung des Humanismus. Als verträumtes Traumfräulein mit Herz durchleidet Sam moderaten Suspense, der sich aus der Angst speist, wie sie einem Teufelskreislauf entkommen kann, der sie introspektiv macht.
Im kühl-kanadischen, nebelverhangenen „Twin Peaks“-Look bildet sich emotionale Wärme, sobald die Protagonistin von „Before I Fall“ (OT) Weltverbesserungspathos entwickelt, was fast einen christlichen Missionierungsfilm bedingt. Aber nur fast. Denn nach Abwegen, die trotzdem sittsam, geschmackvoll und tröstlich ausfallen, folgt sie einer Art Hippie-Aufruf, jeden (vor allem ihre Familie) zu lieben und zu umarmen.
Das Universum freilich ist amoralisch, da wirkt diese come clean wie ein religiöses Motiv. Angstfrei Abschied nehmen ist aber auch Zentrum von „Jacob’s Ladder“ und „The 6th Sense“, wo es darum geht, Erlösung zu finden. Ob das ausgerechnet in einer Selbstopferung sein muss, egal. Jedenfalls geschieht es auf dem erquicklichen Niveau von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, „Ich und Earl und das Mädchen“ und „Wenn ich bleibe“.
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