Kinostart: 30.11.2017
In Pixars 19. Animationsfilm „Coco“ zeigt sich das einst so progressive Studio mehr denn je von Disney einverleibt und gehorcht sklavisch der Familienliebe-über-alles-Ideologie. Was nicht heißt, das neue Werk von Lee Unkrich wäre nur überzuckert – es ergreift emotional klar weniger als sein imposanter „Toy Story 3“, die Story ist haarscharf absehbar und kann erst im schwer zu Herzen gehenden Finale richtig auftrumpfen.
Eine gewisse Schmalz-Resistenz ist unabdingbar in dem märchenhaften Fantasyabenteuer in einem kunterbunt leuchtenden Land der Toten, gleiches gilt für Rührseligkeit – doch die kann eben niemand so gut servieren wie das Maus-Haus, das einen wahren Emo-Thrill um ein berührendes Versprechen und die letztendliche Aussöhnung einer Familie veranstaltet. Wenn ein Verstoßener ins Herz geschlossen wird, ist Taschentuchzeit.
Der nach langwieriger Produktionszeit entstandene „Coco“ spielt am Día de los Muertos, einem der wichtigsten mexikanischen Feiertage, vergleichbar mit Allerseelen. Den thematisch eng verwandten „Manolo und das Buch des Lebens“ lässt das Gemeinschaftserzeugnis von Unkrich und dem an „Die Monster Uni“ beteiligten Adrian Molina locker hinter sich, ist aber weit von (emotional) erwachsenen Hits wie „Oben“ entfernt.
„Coco“ wendet sich ans junge Publikum und bietet wenig für Ältere, weder Symbolebene noch Motivik. Ein tollpatschiger, gummigelenkiger Straßenköter, der sich ständig selbst überholt sorgt für Slapstick, das traurige Element, der zweite Tod durch Vergessen, wird auf (angenehm) sentimentale Art gemolken, ohne philosophische oder allzu nachdenkliche Töne. Auch Mord und Diebstahl geistigen Eigentums ordnen sich unter.
Und zwar einem vordergründigen Konflikt zwischen Familientradition und dem Verfolgen des individuellen Lebenstraums, der sich im Hab-dich-lieb-Familie-hilft-dir-Wohlgefallen auflöst (wie ihn nur Disney so schön beherrscht). Zwischen Jahrmarkts-Folklore und viktorianischer „Hugo Cabret“-Bahnhofsarchitektur, schillernden Fabelwesen und Schlagernummern gibt es nichts Neues zu entdecken. Aber das präsentiert sich gekonnt.
imdb ofdb