Streamingstart: 19.10.2018
Wer statt Chips lieber Rasierklingen knabbert, sollte „The Night Comes for Us“ nicht verpassen, denn der zweite allein inszenierte Film des Indonesiers Timo Tjahjanto stellt wie sein krass gesinnter Vorgänger „Headshot“ das Zeigbare in puncto Action und Gewalt auf eine neue Eskalationsstufe. Ein Zeitalter gnadenloser Härte zieht in Fernost herauf und die Liste ultrabrutaler Martial-Arts-Reißer erhält ein neues Highlight.
Nachdem Gareth Evans mit „The Raid“ 2011 dafür den Grundstein legte, sein Nachfolger „The Raid 2“ aber eher zum Hochglanz-Noir-Epos trachtete denn zu zügelloser Randale, geriet sein Star Iko Uwais zum Aushängeschild dieser neuen Ära. Längst hat er Tony Jaa, der seit dem furiosen Einstand „Ong-bak“ (2003) nichts Zwingendes mehr zustande brachte, vom Knochenbrecher-Thron gestoßen, dem ihm niemand mehr streitig macht.
Weil es auch keiner erst versucht. Im braven Hollywood lässt höchstens noch die B-Liga sehr sporadisch einen etwas raueren Trip von der Leine („Upgrade“). Was für Tjahjanto Gott sei Dank kein Grund ist, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, sondern jetzt erst recht sein Gewaltmonopol zu sichern. Mit einem Alptraum für Sensible und einem Schlachtfest für Hartgesottene, die einer Actionblutmesse sondergleichen beiwohnen dürfen.
Uwais, dessen Kampfkraft just in „Mile 22“ – wie immer bei US-Actionsülze – im Schnittgewitter und patriotischem Pathos unterging, darf sich hier wieder ohne Beißschutz austoben. Allgemein etabliert Tjahjanto eine furiose Rücksichtslosigkeit, lässt einen heiligen Zorn wie von Liam Neeson in „96 Hours“ auflodern, nutzt gern Beliebtes wie den von „Oldboy“ gesetzten Trend der Macheten-Massen-Häckselei in der Draufsicht.
Aber er kann viel mehr: „The Night Comes for Us“ fährt derart ungebremst durch die Körper seiner Kombattanten, dass alle gebrochen und zerstört, zermatscht und zerhackt, geteilt und gesprengt werden. Tatwaffen und Geräte dafür sind Legion. Der Exzess stellt einerseits die Evolution des Actioners mit verschärftem Straßenkampf dar, weckt dabei Erinnerungen an die derbsten Momente von Seagal, Van Damme und Lundgren.
Andererseits merkt man Tjahjantos Herkunft vom Horror-Genre, denn sein Martial-Arts-Movie watet buchstäblich durch die Gedärme. Sequenzen wie das Blutbad im Schlachthaus krönen „The Night Comes for Us“ zum Splatter-Festival des Jahres – vergesst einen Scheißdreck wie „Operation: Overlord“. Dagegen wirkt der am FFF gelaufene „Buybust“ in seiner blutarmen Favela-Kinetik wie ein ziemlich braver „Tropa de Elite“-Aufguss.
Tjahjanto hingegen gibt Gas, manisch-aufgedreht, durchästhetisiert und handwerklich über Niveau, inhaltlich hingegen gibt es die sprichwörtliche Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Das finale Death Match gemahnt an goldene Bloodshed-Zeiten aus Hongkong und den Gewaltfanatismus mancher südkoreanischer Gangstermoritate. Ein heftiger Comic sondergleichen, der eine Nische ausbaut, aus der man sich nur mehr wünschen kann.
imdb ofdb
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