Christian Schwochow, D 2013
Kinostart: 27.03.2014, DVD/BD-Start: 15.10.2014
Ein ostdeutscher Blick auf die BRD kommt zu einem wenig schmeichelhaften Befund in Christian Schwochows Drama über eine DDR-Emigrantin (abermals ein beachtlicher Auftritt: Jördis Triebel aus dem wundervollen „Meine Schwestern“), die mit ihrem jungen Sohn im Westberliner Aufnahmelager Marienfelde 1978 in die Mühlen der deutsche Bürokratie und vor allem der alliierten Geheimdienste gerät. Basierend auf dem autobiografisch geprägten Buch „Lagerfeuer“ von Julia Franck muss diese Nelly feststellen, dass Überwachung und Verdächtigungen exakt nach jenen Stasimethoden ablaufen, vor denen sie flüchtete.
Das starke, fantasievolle Teen-Porträt in Gothic-Grundierung überwindet einfühlsam ein Geburtstrauma.
The Truth About Emanuel, Francesca Gregorini, USA 2013
DVD/BD-Start: 30.04.2014
Story: Emanuel trägt einen Jungennamen, ist aber eine schwierige 17-jährige, die noch immer am Tod ihrer Mutter im Kindbett leidet. Als sie für ihre neue Nachbarin Linda babysittet, entdeckt sie, dass deren Säugling eine Puppe ist. Sie spielt mit, denn Lindas Art hilft ihr. Die bizarre Situation hingegen birgt Konflikte.
Von Gnaghi
Was in eines Herzensgrunde liegt und geheilt werden muss, findet Francesca Gregorinis in Sundance nominierte, stilvolle Alternativ-Ballade seltsamer Gefühle auf sensible, eindringliche Weise heraus. Fast viktorianisch zart taucht sie in geheimnisvolle Halluzinationen und Vorstellungen einer Suburbia-Teenagerin ein, porträtiert dabei leicht komisch Familie und Umfeld, primär drei Frauen, aber auch drei Männer.
Die zweite Runde der Mörderspiele und der Beginn der Rebellion: zutiefst humanistische, emotional aufwühlende Dystopie.
The Hunger Games: Catching Fire, Francis Lawrence, USA 2013
Kinostart: 21.11.2013, DVD/BD-Start: 27.03.2014
Story: Nach ihrem Sieg bei den Hungerspielen zwingt Präsident Snow Katniss und Peeta durch die Distrikte zu touren, wo er Unruhen brutal niederschlagen lässt. Da Katniss Symbolfigur des Aufstands wird, ruft Kapitol-Stratege Plutarch Jubiläumsspiele aus, in denen die alle früheren Gewinner antreten müssen.
Von Gnaghi
Hinkte der erste Teil dem genial-gefühlvollen Buch noch deutlich hinterher, schließt der neu hinzugezogene Regisseur Francis Lawrence („I Am Legend“) zu Suzanne Collins’ fast ebenso starken Nachfolger auf. Anders als dumpfer Teen-Schmonz wie die „Twilight“-Reihe ist die „Hunger Games“-Trilogie eine reife, düster-erwachsene Auseinandersetzung mit der Unmenschlichkeit faschistischer Militärdiktaturen.
Actionthriller der gehobenen Klasse, der vergleichsweise realistisch-kritisch Rolle und Abgründe von Geheimdiensten inspiziert.
Hamilton: I nationens intresse, Kathrine Windfeld, SW 2012
DVD/BD-Start: 25.09.2012
Story: Obwohl er im Zuge eines Kriegsflashbacks seiner Freundin die Kehle aufschlitzte, dient Spezialagent Hamilton weiterhin der schwedischen Regierung. Er muss die Spur eines afghanischen Waffendeals nach Somalia verfolgen, wobei er ein Komplott und Anschlagspläne in seiner Heimat entdeckt.
Von Gnaghi
Schwedens Antwort auf James Bond lautet seit über 25 Jahren Agent Hamilton, der in Dutzenden Büchern und Verfilmungen im Dienste der Stockholmer Regierung steht. Nur sind seine Aufträge deutlich realitätsnäher und kritischer gegenüber eigenen und fremden Geheimdiensten – ein glaubhafter Einblick in die Welt der Agenten, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, und ein Actionthriller über kontemporäre Krisenherde.
Story: Die 23-jährige Rahima sorgt für ihren 14-jährigen Bruder Nedim. Beide sind Kriegswaisen und müssen in Sarajewo ums tägliche Überleben am unteren sozialen Rand ringen. Ein elender Kampf gegen das Mobbing der alten tonangebenden Eliten, mit denen sich der wütende Nedim anlegt und Ärger provoziert.
Von Gnaghi
Unsichtbare Kriegsschäden prägen den Frieden in einer ungemütlichen Bestandsaufnahme zweier traumatisierter Waisen, die in einer Gesellschaft voll versteckter Gewalt und Aggression als Menschen zweiter Klasse andauernd um ihr Überleben kämpfen müssen. Aida Begic erzählt nach „Snow“ erneut aus weiblicher Sicht vom Schatten des Bosnienkrieges, diesmal nicht poetisch, sondern ungeschminkt, bedrückend, hart.
Einige Computerfreaks treffen sich Anfang der 80er Jahre zu einem Kongress, auf dem sie ein Schachturnier zwischen Mensch und Maschine austragen. Wer jetzt „Big Bang Theory“ mit Technikhumor aus nostalgischer PC-Steinzeit erwartet, kann einpacken. Indie-Filmer Andrew Bujalski („Beeswax“), ein Vertreter des Mumblecore, hat keine Komödie, sondern eine trockene Mockumentary hingelegt. Technisch perfekt vermittelt er den Doku-Anschein eines Amateur-Reports von dem Symposium, authentisch realisiert in Schwarzweiß, Homevideo, 4:3-Format, übersteuertem O-Ton, Rauschen und Nachzieheffekten alter Videotechnik.
Aufruhr im Altersheim: Ergreifende Tragikomödie mit Dieter Hallervorden als Olympia-Rentner mit Comeback-Träumen.
Kilian Riedhof, D 2013
Kinostart: 10.10.2013, DVD/BD-Start: 26.03.2014
Story: Läufer-Legende Paul zieht wegen seiner gebrechlichen Frau ins Altersheim. Bevor er sich dort totbastelt, will es der über 70 Jahre alte Olympiasieger noch einmal wissen und trainiert für den nächsten Berlin Marathon. Als seine Frau verstirbt, verbieten ihm Heimleitung und Tochter das Ansinnen rigoros.
Von Gnaghi
Klamaukkönig, Kabarettist, Charakterdarsteller: Dieter Hallervorden, schon früh auch als fähiger Mime aufgefallen („Das Millionenspiel“), gibt im vorgerückten Alter ein phänomenales Kino-Comeback als Jungbrunnen, der ein Altenstift aufmischt. Mit weißem Vollbart, Körperfülle und ausdrucksstarkem Gesicht trägt er den heiter-nachdenklichen Film von TV-Regisseur Kilian Riedhof („Homevideo“) auch dann emotional, wenn der Story zwischenzeitlich die Puste ausgeht.
Hochtrabendes Jugenddrama nach Juli Zeh, das vorgibt intellektuell zu sein, aber nur eine hanebüchene Pseudo-Show abspult.
Gregor Schnitzler, D 2013
Kinostart: 10.10.2013, DVD/BD-Start: 11.04.2014
Story: Die 15-jährige Ada ist hochbegabt, hat zwei Klassen übersprungen, wird böse gemobbt und fliegt auf den weltgewandten Neuzugang Alev. Gerne kollaboriert sie mit ihrem Schwarm, der mit einem perfiden Spiel seine krude Theorie beweisen will und Lehrer Smutek erpresst, den er beim Sex mit Ada filmt.
Von Gnaghi
Die zweite Verfilmung eines Bestsellers von Juli Zeh ist zwar nicht so aseptisch wie „Schilf“, scheitert dafür dramatisch an ihrem eigenen, hochtrabenden Anspruch, intellektuelles Kino zu schaffen: Gregor Schnitzler, der mit „Die Wolke“ ein bedrohlicher Schüleralptraum über den atomaren GAU gelang, kokettiert mit Dostojewskis „Verbrechen und Strafe“ und Nietzsches Übermensch, erzeugt aber nur leere Worthülsen statt geistiges Niveau in einem Thrillerdrama mit niedrigem IQ.
Das feminin orientierte Biopic über Porno-Ikone Linda Lovelace sieht sie als Ehegewaltsopfer, das sich spät emanzipiert.
Rob Epstein, Jeffrey Friedman, USA 2013
DVD/BD-Start: 03.12.2013
Story: 1970. Linda ist ein erlebnishungriges Vorstadtmädchen, das mit 21 dem Charme des Striplokalbesitzers Chuck verfällt und ihn heiratet. Als der hoch Verschuldete sie im Porno Deep Throat besetzt, wird sie über Nacht berühmt, ihr Mann jedoch ein gewalttätiger Kontrollfreak, der sie jahrelang wie ein Zuhälter misshandelt.
Von Gnaghi
Im Biopic des ersten Porno-Superstars Linda Lovelace dominiert die Perspektive eines Ehegewaltdramas. Dieses erzählt die Leidensgeschichte einer Naiven, die von ihrem Mann mit Zuhältermethoden über viele Jahre gefangen gehalten, geschlagen, vergewaltigt und verkauft wird, bis ihr desillusioniert Selbstbefreiung und Rückkehr ins bürgerliche Leben gelingen.
Horror, Terror, Gewaltgroteske: Adam Wingard übertreibt es gewaltig mit seinem Belagerungs-Szenario zwischen „Das Fest“ und „Assault“.
Adam Wingard, USA 2011
Kinostart: 07.11.2013, DVD/BD-Start: 13.03.2014
Story: Kaum haben die wohlhabenden Davisons ihr weitläufiges Landhaus bezogen, um mit ihren vier Söhnen und deren Anhang ihren 35. Hochzeitstag im familiären Kreis zu feiern, schießen maskierte Unbekannte, die bereits die Nachbarn ermordeten, mit Pfeilen und belagern ihre Opfer die Nacht hindurch.
Von Gnaghi
Als wolle er einen mustergültigen Nägelbeißer vom Stapel lassen und einen Show Case seines kompetenten Könnens abliefern, zeigt der derzeit angesagte Adam Wingard („A Horrible Way to Die“), wie fulminant er die Stilmittel beherrscht, vom Start weg eine fast permanente Bedrohung aufzubauen und vornehmlich durch volle Lautstärke zu erschrecken.
Grober Schotter: Vin Diesels dritter Auftritt als SciFi-Antiheld ist liebloser, breitgetretener Macho-Krampf ohne Verve.
David Twohy, USA/UK 2013
Kinostart: 19.09.2013
Story: Schwerverbrecher Riddick erwacht im Erdgrab auf einem menschenleeren, öden Wüstenplaneten, wo die aggressive Raubtierfauna ihn sogleich verspeisen will, aber den Kürzeren zieht. Über eine Notsignalstation lockt der Einzelkämpfer Kopfgeldjäger in Fallen, bevor eine Regennacht mit Monsterkreaturen naht.
Von Gnaghi
Von allen drei Sci-Fi-Actionern um Bad Ass Riddick ist der abermals von David Twohy gescriptete und realisierte dritte Part der schwächste. Anders als das aufgeblasene Epos „Chronicles of Riddick“ knüpft er an den zu Kultstatus avancierten „Pitch Black“ an, der Diesels Karriere initiierte. Statt dieses knackigen Reißers ist „Riddick“ein 38 Millionen schweres B-Movie im schlechtesten Sinne, das sich als breitgetretener Macho-Käse zum erschreckenden Schotter knapp neben dem dumpfen „Soldier“ platziert.
„Men in Black“ mit untoten Comicmonstern und wechselhaften Effekten: zwischen lasch und launig pendelnde Buddy-Fantasy-Komödie.
Robert Schwentke, USA 2013
Kinostart: 29.08.2013
Story: Als Nick von seinem korrupten Partner niedergeschossen wird, landet der Bostoner Cop nicht im Himmel, sondern im „Rest in Peace Department“, einer jenseitigen Polizeibehörde, die Tote aufspürt. Mit Marshall Roy entdeckt Nick einen apokalyptischen Plan, dem seine Witwe zum Opfer fallen soll.
Von Gnaghi
Weitgehend witzlose Comicreihen-Adaption, die der wandlungsfähige Robert Schwendtke („Die Frau des Zeitreisenden“) als „Men in Black“ mit Toten und mitunter sagenhaft künstlichen Computereffekten umsetzt. Seine metaphysische Buddy-Komödie entwickelt käsiges Flair, wenn die Monster-Polizei beim Lösen übernatürliche Fälle einer apokalyptischen Verschwörung auf die Spur kommt.
„Olympus Has Fallen“ als Buddy-Komödie mit Herz am rechten Fleck und, wegen teurer Effekte, satter Action fürs Familienpublikum.
Roland Emmerich, USA 2013
Kinostart: 05.09.2013
Story: Kriegsveteran John bewirbt sich gerade für den Secret Service, als einheimische Terroristen das Weiße Haus stürmen und Geiseln nehmen, darunter Johns kleine Tochter Emily. Sie haben es auf Präsident Sawyer abgesehen, der sich mit Johns Hilfe im Gebäude versteckt, bis ihn Verräter aus den eigenen Reihen ans Messer liefern.
Von Gnaghi
Der Plot ist der gleiche: „Die Hard“ im Weißen Haus mit Anleihen bei „Air Force One“. Statt so grimmig-brutal wie Antoine Fuquas xenophober Reißer zu marschieren, frönt Roland Emmerich beim Zerstören seiner Lieblingsimmobilie (siehe „Independence Day“) einer leidlich unterhaltsamen Mixtur aus Familienkitsch, Patriotismus und Pathos, bemüht Lincoln und uramerikanische Werte für ein manipulatives, edel glänzendes Starkino, das keinen Anhaltspunkt für seinen bösen Flop am US-Boxoffice liefert. Die Actionkomödie ist zumindest sympathischer als „Olympus Has Fallen“.