Alle Beiträge von Thorsten Krüger
45 Minuten bis Ramallah
Kinostart: 05.12.2013
Der iranischstämmige Regisseur Ali Samadi Ahadi beherrscht Politik (die erschütternde Iran-Demo-Niederschlagung „The Green Wave“) wie Komödie (den sympathischen Culture-Clash-Spaß „Salami Aleikum“) gleichermaßen. Wieso er in dieser witzlosen Deppen-Klamotte völlig versagt, ist eigentlich unbegreiflich. Die Story um zwei zankende palästinensische Brüder, die den Leichnam ihres Vaters aus Israel nach Ramallah überführen wollen und in einer absurden Odyssee in die Logik des Nahost-Konflikts hineingezogen werden, birgt schließlich einiges Potenzial.
Und ewig singen die Wälder
auf DVD erhältlich
Die in Norwegen entstandene österreichische Produktion von Paul May, der zuvor mit der Kasernenhof-Trilogie „08/15“ Erfolgsgeschichte schrieb, wurde mit über sieben Millionen Zuschauern zum kassenträchtigsten deutschsprachigen Hit 1960: Eine tragische Bauernsippe-vs-Adelsgeschlecht-Saga, die Seifenoperetten und Heile-Welt-Heimatfilme weit hinter sich lässt und ein urwüchsiges Melodram dichtet.
Parkland
DVD/BD-Start: 13.12.2013
A Nightmare on Elm Street: Zum bevorstehenden 50. Jahrestag des Kennedy-Attentats entstandenes Tatsachen-Drama in Trauerflor, das die unmittelbaren Folgen der Todesschüsse in der Elm Str. in einem bedrückten Ensemble-Drama aufschlüsselt. Peter Landesman, der die Story für „Trade – Willkommen in Amerika“ verfasste, adaptiert Vincent Bugliosis Buchvorlage mit einem halben Dutzend Charakterdarstellern.
Fack ju Göhte
Kinostart: 07.11.2013, DVD/BD-Start: 08.05.2014
Bad Teacher: In der grellfarbigen Trash-Komödie um den PISA-Bildungsnotstand führt Bora Dagtekin seinen rabiaten „Türkisch für Anfänger“-Humor konsequent fort. Elyas M’Barek schleicht sich als frisch aus dem Knast entlassener Bankräuber als Lehrkraft getarnt in eine Gesamtschule ein, um an seine vergrabene Beute zu gelangen, über der nun eine Turnhalle steht. Der angepisste Asi mit Bushido-Vokabular gibt die geteert und gefederte Randale-Richtung vor, die aus Ekelhumor und Dauer-Obszönitäten besteht und mit derbem Gossenjargon durchaus witziges Wortgut aufweist, sonst aber extrem formelhaft gestrickt ist.
Die Wochenstarts vom 24.10.2013
Diese Woche neu im Kino
Carrie
Kinostart: 05.12.2013, DVD/BD-Start: 04.04.2014
Brian De Palmas Erstadaption von 1976 ist mir als einzige große Peinlichkeit in Erinnerung. Und ich habe mir ihn gestern nochmal angeschaut. Voyeuristische Weichzeichner-Regie, Dekor aus 70ies-Modesünden, unterkomplexe Story und Figuren. Ein Film, der trotz ausnehmend guter Darsteller schlecht gealtert ist – wie viel besser ist da bloß das Remake. (und hey, wie oft kann man das schon sagen?)
Captain Phillips
Kinostart: 14.11.2013, DVD/BD-Start: 14.03.2014
Sollten Sie je am Horn von Afrika von somalischen Piraten gekidnappt werden, sorgen Sie dafür, eine Greencard zu besitzen. Denn für US-Staatsbürger eilen die Navy Seals zu Ihrer Rettung. Andere Nationen täten das nicht. So ist es dem Frachtkapitän Richard Phillips vor vier Jahren ergangen und Paul Greengrass hat aus dessen wahrem Horrorerlebnis ein kinetisch-virtuoses Hochspannungswerk geschaffen.
Ender’s Game
Kinostart: 24.10.2013, DVD/BD-Start: 06.03.2014
War Games: Gavin Hood („X-Men Origins: Wolverine“) verfilmt Orson Scott Cards im angelsächsischen Raum beliebten SF-Kultroman als Boot-Camp-Drama auf einer Raumstation, in der Kinder zu Killermaschinen abgerichtet werden, um einen galaktischen Krieg gegen eine vermeintlich aggressive Spezies zu gewinnen. Ein etwas schwerfälliger Ethik-Diskurs über Manipulation, Kriegsverbrechen und Militarismus.
Die Wochenstarts vom 17.10.2013
Diese Woche neu im Kino
We Are What We Are
DVD/BD-Start: 13.12.2013
Das Remake von Jim Mickle, der mit geringstem Budget („Mulberry Street“) auf sich aufmerksam machte, hat kaum mehr etwas mit Jorge Graus gleichnamigen Original von 2010 gemein. Er ersetzt die mexikanische Morbidität, die schwül-schmutzigen Gossen und den nihilistischen Kommentar über urbane Armut durch ein sorgfältiges Arthaus-Hinterland-Drama über den Untergang einer Kannibalensippe.
Party Invaders
DVD/BD-Start: 13.08.2014
Strange Days: Eine kleine Entdeckung ist dieses Ensemble-Drama, bei dem Jugendliche eine dekadente Party feiern und sich plötzlich mit mörderischen Doppelgängern konfrontiert sehen. Aus einem mysteriösen Szenario schält sich ein hoch-philosophischer Teen-Thriller, dem „Last House on the Left“-Remaker Dennis Iliadis in dieser wesentlich interessanteren Arbeit ein vielschichtiges Körperfresser-Vexierspiel abgewinnt.
Jackass: Bad Grandpa
Kinostart: 24.10.2013, DVD/BD-Start: 27.02.2014
Jackass goes Borat: Im sechsten „Jackass“-Auftritt schlüpft Knoxville mittels perfekter Maske in die Haut der aus der MTV-Show bekannten Kunstfigur Irving Zisman, um als Randale-Opa mit Enkel (tolle Entdeckung: Jackson Nicoll, „Fun Size“) Geschmacksgrenzen zu sprengen. So verschmilzt die Masochisten-Stuntshow mit dem „Borat“-Prinzip, um heimlich und wackelkamerafrei Zivilisten-Reaktionen mitzufilmen.
Die Wochenstarts vom 10.10.2013
Diese Woche neu im Kino
King Ping
Kinostart: 31.10.2013, DVD/BD-Start: 30.04.2014
Das Crowdfundingprojekt mit Ärzte-Mitglied Bela B. als singende Tunte und Christoph Maria Herbst als Reporter-Schmeißfliege ist ein Paradabeispiel für Style Over Substance. In satten Schwarzwerten breitet sich ein Ruhrpott-Noir aus, der glaubt, wenn er nur wild die Genres mixt und sich dabei in furchtbar coole Posen wirft, wäre er ein Kultkandidat wie seine Vorbilder „Pulp Fiction“ und die Edgar Wallace Krimis.
Lone Ranger
Kinostart: 08.08.2013 DVD/BD-Start: 05.12.2013
Entgegen mancher Unkenrufe ist die sündteure Disney-Extravaganz des „Pirates of the Caribbean“-Teams Bruckheimer/Verbinski/Depp kein hirntoter 250-Millionen-Flop wie „John Carter“, sondern Deluxe-Entertainment, das seinen Anspruch hinter Buddykomik und Effektschlacht verbirgt. Die mythische Rächer-Fabel nach einer bei uns nahezu unbekannten Serien-Figur siedelt nicht immer stimmig zwischen Komödie und Tragödie.
Der Stern von Afrika
Auf DVD erhältlich
Soldaten- und Kriegsfilm, der dem deutschen Flieger-Ass Hans-Joachim Marseille, genannt Stern von Afrika, ein Denkmal setzt: 1957 hat ihn Alfred Weidenmann auf der Höhe seiner Kunst in eindringlichen Schwarzweißbildern inszeniert, in die er fugenlos Originalmaterial aus dem Weltkriegsgeschehen einbaut.
Inside Llewyn Davis
Kinostart: 05.12.2013, DVD/BD-Start: 10.04.2014
Schön, dass die Coens einmal keine blutige Moritat („True Grit“) oder Gangstergroteske („No Country For Old Men“) in die Welt setzen. Schade, dass sie sich trotz ungewöhnlichem Thema – die New Yorker Folkmusikszene 1961 kurz vor Bob Dylan – vornehmlich müde selbst zitieren. Wieder ein Pechvogel-Porträt, wieder eine sardonische Antipathie-eske über Misanthropen, wieder eine absurde Odyssee zu verqueren Sonderlingen.
Die Wochenstarts vom 03.10.2013
Diese Woche neu im Kino
Hai-Alarm am Müggelsee
DVD/BD-Start: bereits erschienen
In der hohen Kunst des Humors übt sich das Kreativ-Duo Leander Haußmann und Sven Regener („Herr Lehmann“), wenn sie „Der weiße Hai“ als virtuose Anarcho-Komödie mit Sinn für Dadaismus und Anleihen bei Detlev Buck, Aki Kaurismäki, Herbert Achternbusch plus vor allem Helge Schneider neu auflegen. Selbst geschriebene, schrullige A-Capella-Songs begleiten die Provinz-Ballade im Alternativ-Low-Budget-Look.
Don Jon
Kinostart: 14.11.2013, DVD/BD-Start: 17.03.2014
Das Regiedebüt des Karriereschauspielers Joseph Gordon-Levitt („Inception“) ist „Shame“ als Hochglanz-Farce, deren Satire auf ordinäre Macho-Attitüden und sexuelle Fehlentwicklungen nicht ganz trennscharf von ihrer Werbeclip-Verherrlichung bleibt und die zudem eine irritierend konservative Moraldidaktik aufweist. Fabelhaft gibt Gordon-Levitt den schmierigen Aufreißer im Muscle-Shirt, der als Porno-Junkie Sex statt Beziehungen sucht und selbst bei Vollblutweib Scarlett Johansson findet, dass das echte Leben nicht an seine Masturbations-Highlights heranreicht.
Das große Heft
Kinostart: 17.10.2013, DVD/BD-Start: 09.05.2014
Eine Kindheit im Krieg, einschließlich der Erziehung zu Gewalt und Grausamkeit erzählt der Gewinner von Karlovy Vary und Ungarns Oscarbeitrag 2014. Den 1986 erschienenen, preisgekrönten Roman von Agota Kristof hat János Szász („Opium: Tagebuch einer Verrückten“) zu einer Arthaus-Geschichte von Amoral und Nihilismus geformt. Mit einem Hauch Béla Tarr.
Evil Dead
Kinostart: 16.05.2013, DVD/BD-Start: 02.10.2013
Allen Horror-Updates der letzten Dekade ist weitgehend eins gemein: Sie professionalisierten und perfektionierten die Low-Budget-Vorbilder, wodurch deren Charme des Unfertigen, ihre von technischen und finanziellen Unzulänglichkeiten forcierte Kreativität und die unverwechselbare Atmosphäre in eine geglättete Design-Leistungsschau der Thrill- und Terror-Elemente für ein Mainstreampublikum transformiert wurden. Subversion verwandelte sich in Konsumierbarkeit, anarchischer Independent-Spirit wurde von routinierter Studio-Kalkulation geschluckt.
Eisheimat
Kinostart: 05.12.2013, DVD/BD-Start: 07.11.2014
Nun ade, du mein lieb Heimatland: Erst 1949 durfte jeder das vom Krieg zerstörte, weder Zukunft noch Hoffnung bietende Deutschland verlassen. So auch jene 238 junge Frauen, die auf eine Annonce in der Lübecker Zeitung hin als Arbeitskräfte nach Island auswanderten. Sechs von ihnen kramen für Heike Finks eher schlichte Dokumentation in ihren Erinnerungen und erzählen in abwechselnd ineinander geschnittenen Interviews ihre Lebensgeschichte, ergänzt durch kontemplative Landschaftsimpressionen zu isländischem Gesang.
Gravity
Kinostart: 03.10.2013, DVD/BD-Start: 21.02.2014
Seit Kubricks „2001“ hat keine Hard-SF mehr so viel Wert auf Physik, Faktentreue und Realitätsnähe gelegt, wie der quasi heute spielende Rücksturz ins All, in dem Sandra Bullock und George Clooney in vollständiger Schwerelosigkeit einen aussichtslosen Kampf gegen Zeit und Tod ausfechten. Ein packendes Himmelsspektakel sondergleichen, das die Optionen der digitalen Tricktechnik raffiniert nutzt, um sein Kino zu entfesseln und Konventionen weit hinter sich zu lassen.