Genie & Wahn, heute in der Beach-Boys-Variante – nicht als Best-of-Musikfilm, sondern anspruchsvolles Schauspielerkino
aka Love and Mercy, Bill Pohlad, USA 2014
Kinostart: 11.06.2015, DVD/BD-Start: 15.10.2015
Story: Während er sein avantgardistisches Meisteralbum aufnimmt, driftet der Kopf der Beach Boys, Brian Wilson, in eine schwere Psychose. 20 Jahre später steht er als Medikamentenwrack unter der Vollzeitkontrolle des dubiosen Therapeuten Dr. Landy. Die Liebe zu Autoverkäuferin Melinda könnte ihn retten.
Von Thorsten Krüger
Die Biografie der Kreativkopfs und Komponisten der Beach Boys, Brian Wilson, benannt nach seiner Solo-Single „Love & Mercy“, ist keine „Good Vibrations“-Karaoke. Bill Pohlad, Produzent von „12 Years a Slave“ und „Der große Trip – Wild“, veranstaltet halb ein konventionelles Biopic, das wieder mal Genie und Wahnsinn bemüht, halb einen unorthodoxen Trip in eine gebrochene Psyche samt psychedelischen Exkursionen.
Mit Konventionshülsen kämpfendes Thriller-Denkmal für den rehabilitierten polnischen Nationalhelden Ryszard Kukliński.
Wladyslaw Pasikowski, PL 2014
ohne deutschen Start
Story: Obwohl der polnische Oberst Ryszard Kukliński weiß, wie grausam Menschen hingerichtet werden, die für den Westen spionieren, liefert er ab 1972 Informationen über die geheimen Atomkriegspläne der sowjetischen Besatzer für Europa an die CIA. Damit bringt er sich und seine Familie in andauernde Lebensgefahr.
Von Thorsten Krüger
Der Spion, der aus der Kälte kam: Was nach einem B-Action-Titel klingt, ist lediglich der Tarnname des wohl wichtigsten Informanten der Amerikaner vor Ort im Warschauer Pakt, der kaum über seine Landesgrenzen hinaus bekannte polnische Volksarmist Ryszard Kukliński (1930-2004). Dabei sollte diesen Namen jeder kennen, denn er hat entscheidend dazu beigetragen, einen sowjetischen Angriffskrieg zu verhindern.
Mr. Turner, Mike Leigh, GB 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 28.04.2015
Mit landläufigen Stationen-Biopics und Genie-und-Wahnsinn-Dramen hat die Betrachtung der letzten 20 Jahre des britischen Malers William Turner (1775-1851) von Sozialfilmveteran Mike Leigh („Lügen und Geheimnisse“, „Happy-Go-Lucky“) wenig gemein. Sein Lieblingsakteur Timothy Spall, der Wurmschwanz aus „Harry Potter“, darf den zu Lebzeiten verfemten und schließlich verspotteten, heute eminent wichtigen Landschaftsmaler der Romantik und Vorläufer des Impressionismus hingebungsvoll als grunzenden Sonderling ausfüllen. Eine fabelhafte Schauspielleistung, deren tierische Laute mit Sicherheit noch für die eine oder andere Parodie sorgen werden.
Flores Raras, Reaching for the Moon, Bruno Barreto, BR 2013
Kinostart: 10.04.2014
In seinem vorwiegend englischsprachigen Biopic nimmt sich der brasilianische Regisseur Bruno Barreto („Vier Tage im September“) dem 15-jährigen Lebensabschnitt der Dichterin Elizabeth Bishop auf dem Landsitz der Architektin Lota de Macedo Soares an. Wie die New Yorkerin, die sie den Pulitzerpreis gewinnen wird, ihre Schreibblockade mit einer lesbischen Liaison ungestört von bürgerlicher Moralenge überwindet, schildert das altmodische Melodram sensibel, aber überaus konventionell und geht emotional nicht sonderlich in die Tiefe.
Hinter der Kitschfassade: im schillernd-intimen Porträt einer Lustliebe liefern sich Matt Damon und Michael Douglas Szenen einer Ehe.
Behind the Candelabra, Steven Soderbergh, USA 2013
Kinostart: 03.10.2013, DVD/BD-Start: 05.03.2014
Story: Mit zwanzig sieht der bisexuelle Tierpfleger Scott eine Show des Star-Entertainers Liberace, der ihn sogleich begehrt. Als heimlicher Lover des eine Generation älteren Exzentrikers zieht der Landjunge in seinen Palast in Las Vegas, wo der den Lustknaben nach seiner Façon formt, bis er ihm überdrüssig wird.
Von Sir Real
Steven Soderberghs Abschiedsgeschenk an das Kino fand keinen Studiofinanzier, weshalb das Biopic um Sex, Lügen und Prunksucht erst mit Geldern des TV-Senders HBO entstand. Richard Lagravanese („Freedom Writers“) adaptierte Scott Thorsons Buch über seine zehn gemeinsamen Jahre mit der Glitzershow-Legende Liberace, der 1987 an Aids starb: Als Liebes- Ehe- und Scheidungsdrama über Schönheitswahn und Exzentrik.
Das feminin orientierte Biopic über Porno-Ikone Linda Lovelace sieht sie als Ehegewaltsopfer, das sich spät emanzipiert.
Rob Epstein, Jeffrey Friedman, USA 2013
DVD/BD-Start: 03.12.2013
Story: 1970. Linda ist ein erlebnishungriges Vorstadtmädchen, das mit 21 dem Charme des Striplokalbesitzers Chuck verfällt und ihn heiratet. Als der hoch Verschuldete sie im Porno Deep Throat besetzt, wird sie über Nacht berühmt, ihr Mann jedoch ein gewalttätiger Kontrollfreak, der sie jahrelang wie ein Zuhälter misshandelt.
Von Gnaghi
Im Biopic des ersten Porno-Superstars Linda Lovelace dominiert die Perspektive eines Ehegewaltdramas. Dieses erzählt die Leidensgeschichte einer Naiven, die von ihrem Mann mit Zuhältermethoden über viele Jahre gefangen gehalten, geschlagen, vergewaltigt und verkauft wird, bis ihr desillusioniert Selbstbefreiung und Rückkehr ins bürgerliche Leben gelingen.