Schlagwort-Archive: Film Noir

Goldstone

Der humanistisch bewegende Thriller um Zwangsprostitution im Outback vereint meisterlich Film Noir und Western

Goldstone Cover

Ivan Sen, AUS 2016
ohne deutschen Start
Story: Der alkoholsüchtige Aborigine-Detektiv Jay besucht auf der Spur eines vermissten Mädchens die in der Wüste gelegene Grenzstadt Goldstone, die quasi Eigentum des ansässigen Tagebaukonzerns ist. Der naive Cop Josh entdeckt, wie Bürgermeisterin und scharf schießende Security vor seiner Nase mit Menschen handeln.
Von Max Renn

Vor Kurzem erst hatten wir „Last Cab to Darwin“ zu unseren Favoriten 2016 gekürt, nun folgt gleich ein weiterer Titel aus Australien: „Goldstone“ (nicht zu verwechseln mit dem Abenteuerdrama „Gold“ mit Matthew McConaughey), vereint meisterlich Film Noir, Krimi und Western zu einem sorgfältig aufgebauten Thriller über human trafficking, Menschenhandel mit chinesischen Zwangsprostituierten: stimmig, humanistisch, bewegend.

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Hyena

Hyena Cover

Gerard Johnson, GB 2014
ohne deutschen Start

Nach dem programmatischen „Tony – London Serial Killer“ bleibt der britische Auteur Gerard Johnson in den Eingeweiden der Stadt für einen Polizei-Noir mit vielen Qualitäten, mehr Drama als Thriller, eine atmosphärisch dichte (Psycho)Studie aus der Halbwelt, unterschwellig intensiv und ungemütlich gewalttätig, aber nie exzessiv (und selten on screen). Der im Retro-Design der Londoner Neon-Nacht auftretende „Hyena“ ist bei Scorseses „Mean Streets“ und Friedkins „French Connection“ in die Lehre gegangen, würzt beides mit einer Prise von Refns „Drive“.

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Ein Junge namens Titli

In dem nur phasenweise eindringlichen indischen Noir-Drama im Arthausmodus lassen die inneren Konflikte unbeteiligt

Ein Junge namens Titli Cover

Titli, Kanu Behl, IND 2014
Kinostart: 28.05.2015
Story: Titli ist der Jüngste einer Kriminellen-Sippe aus Delhis Slumbezirk. Seine beiden Brüder zwingen ihn bei brutalen Überfällen mitzuwirken. Als er fliehen will, zwangsverheiraten sie ihn mit Neelu. Mit der gleichermaßen unglücklichen Braut schließt er heimlich einen Pakt, der Verwandtschaft zu entkommen.
Von Jochen Plinganz

Obschon „Ein Junge namens Titli“ von Bollywood-Mogul Aditya Chopra koproduziert wurde, vertritt er eine Gegenästhetik zur Flamboyanz: Kanu Behl geht weiter seinem Doku-Realismus nach und bringt ein festivalkompatibles Arthaus-Sozialdrama mit Film-Noir-Handlung an. Eigentlich eine feine Kombination, wenn es nicht schlechtweg unmöglich wäre, für Menschen Mitleid zu empfinden, die selbst kein Mitleid kennen.

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Graceland

Erschreckend eindringlicher Geiselthriller aus Manila, wo zwei moralisch Korrumpierte für ihre Schuld bitter bezahlen.

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Ron Morales, RP 2012
DVD/BD-Start: 10.11.2014
Story: Underdog Marlon schaut weg, wenn sein Arbeitgeber, der korrupte Politiker Changho, Minderjährige missbraucht. Als am Tag seiner Kündigung Marlons Tochter Elvie und die des Chefs – die dabei stirbt – entführt werden, fällt der Verdacht auf Marlon. Die Geiselnehmer zwingen ihn zum doppelten Spiel.
Von Thorsten Krüger

Der Philippiner Ron Morales, der sich seine Brötchen als Techniker für Hollywood-Murks wie „Der Lieferheld“ verdient, kehrt zwischendurch in seine Heimat zurück, um in der Metropolregion Manilas selbst zu inszenieren. Nach dem durchschnittlichen Drama „Santa Mesa“ legte er bereits 2012 dieses sowohl die Kehle zuschnürende als auch den Magen umdrehende Amalgam aus Suspensethriller, Nacht-Noir und Moraldrama vor.

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Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones

Die Anteile von Film Noir und hartem Detektiv-Krimi um Liam Neeson vereinigen sich nicht zu einem größeren Sinngefüge.

Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones Cover

A Walk Among the Tombstones, Scott Frank, USA 2014
Kinostart: 13.11.2014, DVD/BD-Start: 11.03.2015
Story: Seit er vor acht Jahren versehentlich ein Mädchen erschoss, hat Matt keine Polizeimarke, aber auch kein Alkoholproblem mehr. Als New Yorker Privatdetektiv sucht er 1999 widerwillig für einen Drogendealer die Täter seiner entführten und ermordeten Frau. Es ist der Beginn einer brutalen Mordserie.
Von Sir Real

Von Lawrence Blocks bisher 17 veröffentlichten Romanen um Hells-Kitchen-Detektiv Matthew Scudder („8 Millionen Wege zu sterben“ fand 1986 seinen Weg ins Kino) hat Scott Frank, Drehbuchautor von „Minority Report“ und „Out of Sight“, das zehnte Buch für die Leinwand adaptiert. Nicht so raffiniert-bannend wie in seinem letzten Regie-Eintrag „The Lookout“, aber wieder als Film Noir, diesmal mit Schlagtot Liam Neeson.

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Sin City 2

Robert Rodriguez wärmt den einst revolutionär gestalteten Noir-Comic in einer überflüssigen Fortsetzung lauwarm auf.

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Sin City: A Dame to Kill For, Frank Miller, Robert Rodriguez, USA 2014
Kinostart: 18.09.2014, DVD/BD-Start: 29.01.2015
Story: Pokerspieler Johnny will seinen Vater, den verrohten Senator Roark, am Tisch ausnehmen und wird dafür von diesem verstümmelt. Dwight geht ins Netz seiner ruchlosen Ex-Geliebten Ava, die zwanghaft Männer mordet. Stripperin Nancy will sich nach John Hartigans Tod ebenfalls am korrupten Roark rächen.
Von Thorsten Krüger

Neun Jahre nach seiner optisch innovativen Adaption von Frank Millers Kultcomic legt Robert Rodriguez („From Dusk Till Dawn“) einen lose mit dem Vorgänger verbundenen, abermals artifiziellen Hybriden aus Comic und Film Noir vor. In drei überlappenden Episoden wärmt er das Prozedere aus Sex, Crime & Violence lau auf, ohne Charme und Pulp-Appeal des zwar overhypten, aber wenigsten stilvollen Erstlings zu erzielen.

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Cold in July

Ansehnlicher Southern Noir, der nicht immer fugenlos auf die Spur der Dixie-Mafia und einem Snuff-Pornoring führt.

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Jim Mickle, USA/FR 2014
DVD/BD-Start: 05.03.2015
Story: Der sanftmütige Richard erschießt hypernervös und im Affekt einen nächtlichen Einbrecher. Daraufhin bedroht dessen Verbrechervater Russel seine Familie. Als Richard entdeckt, dass der Tote gar nicht Russels Sohn war und die Polizei einiges vertuscht, forscht er mit ihm und Privatdetektiv Jim nach.
Von Gnaghi

Auch nach dem Hinterland-Kannibalendrama „We Are What We Are“ setzt Jim Mickle seinen Kurs der Unberechenbarkeit fort und dient den in Osttexas 1989 spielenden Roman von Joe R. Lansdale an, der auch die Vorlage für „Bubba Ho-tep“ schrieb. Das Verbrechensdrama hat ein namhaftes Darsteller-Trio, einigen Suspense sowie einen hörenswerten 80er-Synthie-Mystery-Score, der zu feiner Film-Noir-Atmosphäre verhilft.

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Feuerwerk am helllichten Tage

Formell formidabler, wenn auch zäher China-Neo-Noir, der einer Mordserie eine sozialkritische Note beifügt.

Feuerwerk am helllichten Tage Cover

Bai ri yan huo, aka Black Coal, Thin Ice, Yi’nan Diao C 2014
Kinostart: 24.07.2014, DVD/BD-Start: 06.11.2014
Story: Als Polizisten 1999 nach Leichenfunden in Kohlewerken Verdächtige festnehmen, überlebt nur Zhang den Schusswechsel schwer verletzt. Fünf Jahre später schlägt er sich als alkoholabhängiger Wachmann durch. Wieder tauchen Leichenteile auf. Mit seinen Ex-Kollegen folgt er der Witwe des ersten Opfers.
Von Thorsten Krüger

Wieso der lediglich respektable Film Noir von Yi’nan Diao („Night Train“) den Goldenen Bären gewann – und nicht der phänomenale „Boyhood“ – wird das Geheimnis der Jury-Tröten der diesjährigen Berlinale bleiben. Zumal auch der pechschwarze Episoden-Schocker „A Touch of Sin“ das Reich der Mitte nachdrücklicher porträtierte – nur der lief eben nicht in Berlin. Aber der lakonisch-kunstvolle Arthaus-Stil weiß auch zu gefallen.

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Harms

Authentisch, direkt, hart: deutscher Indie-Thriller zwischen spannendem Heist-Movie und melancholischem Film Noir.

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Nikolai Müllerschön, D 2013
Kinostart: 12.06.2014
Story: 16 Jahre saß der knallharte Kriminelle Harms dafür ein, dass er Wort gehalten hatte. Kaum in Freiheit, bietet ihm ein ruheständischer Vorstand die Aussicht auf 100 Millionen Euro für einen Einbruch in die Bundesbank. Mit alten Gefährten plant Harms die Aktion, doch er wittert zurecht ein falsches Spiel.
Von Max Renn

Nikolai Müllerschön ist seit 30 Jahren im Regiegeschäft und Könner von Crime-Thrillern (oft fürs Fernsehen), auch wenn er 2007 mit dem aufwändigen Fliegerabenteuer „Der Rote Baron“ vollversagte. Wie sehr es ihn befreit, auf Budget und Filmförderung zu verzichten, beweist er imposant, stilsicher, aber nicht stilisiert, mit einer so brutalen wie fesselnden Genre-Ballade von internationalem Rang.

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Metro Manila

Der oscarwürdige Mix aus Sozialdrama, Film Noir und Moralthriller ist zutiefst humanistisches und aufwühlendes Kino.

Metro Manila Cover

Sean Ellis, GB/RP 2013
ohne deutschen Start
Story: Fallende Getreidepreise zwingen den bettelarmen Bauern und hart arbeitenden Familienvater Oscar, mit Frau und Kindern in der Großstadt Manila Arbeit zu suchen. Dort werden sie betrogen und landen auf der Straße, bis der großzügige Ong ihm einen gefährlichen Job als Wachmann für Geldtransporte vermittelt.
Von Thorsten Krüger

Die britisch-philippinische Produktion ging für England ins Oscarrennen, wurde aber nicht einmal nominiert – dabei hätte das sensibel-bestürzende, sozialrealistische Crime Drama um die Menschenwürde den Preis als bester ausländischer Film wirklich verdient. Sean Ellis, der vor Ort in der Metropolregion Manila auf Tagalog drehte, hat nach dem kleinen Psychohorror „The Broken“ sein vorläufiges Meisterstück vorgelegt.

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Stereo

Stilbewusster deutscher Noir-Thriller, der aus schizophrener Perspektive in eine kriminelle Gewalt-Unterwelt absteigt.

Stereo Cover

Maximilian Erlenwein, D 2014
Kinostart: 15.05.2014, DVD/BD-Start: 04.11.2014
Story: Motorradmechaniker Erik hat sich ins ländliche Idyll zurückgezogen und verbringt seine Freizeit glücklich mit neuer Freundin Julia und deren kleiner Tochter. Als sich der grobe Henry wie ein Schatten an Erik heftet, ihn eine Zigeunerbande und der brutale Bordellpate Keitel bedrohen, muss er wider Willen handeln.
Von Max Renn

Am Nischendasein des deutschen Genrefilms werden auch gelungene Exempel wie „Blutgletscher“ oder dieses von Maximilian Erlenwein für drei Millionen Euro mehr als solide in sorgfältige Szene gesetzte Psychodrama, das sich zum brutalen Gewaltthriller auswächst, nichts ändern. Attraktiv anzusehen bleibt die eigenständige, stilstarke Modifikation von „A History of Violence“ sowie „Drive“ und „Only God Forgives“ allemal.

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Die zwei Gesichter des Januars

Hochkarätiger psychologischer Suspense-Thriller für Genießer – ein mörderischer Noir nach Patricia Highsmith.

Die zwei Gesichter des Januars Cover

The Two Faces of January, Hossein Amini, GB/USA/FR 2014
Kinostart: 29.05.2014, DVD/BD-Start: 09.10.2014
Story: Athen 1962: Schwindler Rydal lernt als Fremdenführer das reiche Ehepaar Colette und Chester kennen. Aus Begehren zu der attraktiven Frau hilft er Chester nach einem tödlichen Unfall auf Kreta unterzutauchen. Während die Polizei nach dem Trio fahndet, brechen schwere Spannungen zwischen ihnen aus.
Von Thorsten Krüger

Nur die Sonne war Zeuge: Gleißend helle Griechenland-Bilder kontrastieren das dunklen Innenleben der Figuren im Regiedebüt von Drehbuchautor Hossein Amini, der sich mit Arbeiten wie „Die Flügel der Taube“ und „Drive“ empfahl, bei „47 Ronin“ aber auch nichts retten konnte. Wieder adaptiert er eine Vorlage, den 1964 veröffentlichten, neunten Roman von der Meisterin der psychologischen Spannung. Und zwar kongenial.

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On the Job

Fesselnder, pessimistischer Crime-Thriller, der grimmig über die Auswüchse der grassierenden Korruption auf den Philippinen auspackt.

On the Job Cover

aka On the Job – Showdown in Manila, Erik Matti, RP 2013
DVD/BD-Start: 28.05.2015
Story: Seit Jahren verüben die inhaftierten Killer Tatang und sein junger Zögling Daniel im Auftrag mächtiger Hintermänner mit Duldung der korrupten Behörden brutale Mordaufträge. Die beiden NBI-Agents Acosta und Coronel ermitteln gegen erhebliche Widerstände und sind ihnen bald dicht auf den Fersen.
Von Sir Real

Basierend auf tatsächlichen Vorkommnissen entwirft der vielseitige philippinische Regisseur Erik Matti („The Aswang Chronicles“ erscheint im März auf DVD) einen handwerklich richtig starkes, sozial- und vor allem gesellschaftskritisches Thriller-Doppelportrait von zwei Killern und zwei Cops. Ein mit packender Street-Action versehenes, bitter-milieuechtes Gangsterdrama, dessen Politkinodimensionen stattlich Sprengstoff bieten.

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Alois Nebel

Tschechische Arthaus-Animation, die sich als kunstvoller Film Noir unzureichend mit den Verbrechen der Vergangenheit beschäftigt.

Alois Nebel Cover

Tomás Lunák, CZ/D 2011
Kinostart: 12.12.2013, DVD/BD-Start: 28.11.2014
Story: Als Kind wurde Alois Nebel Zeuge der Vertreibung der Sudetendeutschen. Bis 1989 die Mauer fällt, ist er ein menschenscheuer Fahrdienstleiter eines kleinen Bahnhofs im Altvatergebirge, heimgesucht von den Geistern der Vergangenheit. Als er einen Flüchtling versteckt, stellt er sich seinen Dämonen.
Von Thorsten Krüger

Ästhetisch ist Tomás Lunáks Adaption der dreiteiligen Graphic Novel von Jaromír Svejdík ein Genuss, aber als adäquate Aufarbeitung der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Sudetendeutschen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg nur unzureichend. Die Wucht der nie gesühnten Verbrechen, in denen Unrecht mit Unrecht vergolten wurde, verschwindet in einem nebulös-banalen Plot, der nicht unter die Haut gehen will.

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Mud

Großartiger Hinterland-Film-Noir aus den Südstaaten, mit dem Jeff Nichols ein starbesetztes Coming-of-Age dichtet.

Mud Cover

Jeff Nichols, USA 2012
DVD/BD-Start: 05.05.2014
Story: Ellis und Neckbone leben in einer Flusssiedlung in Arkansas. Bei einem ihrer Motorbootausflüge entdecken die Kids den Outlaw Mud, der sich vor Blutrache und Polizei auf einer Insel versteckt. Die beiden Jungs helfen ihm einen Fluchtplan zu schmieden und seine große Liebe zu kontaktieren. Die ziert sich.
Von Max Renn

Ein klasse besetztes und ebenso gespieltes Coming of Age aus dem amerikanischen Süden, das sich eigentlich als handfester Film Noir erweist, hat Jeff Nichols nach eigenem Drehbuch in stilsichere Bilder gegossen, die das ernste Drama dieser Tom Sawyer & Huckleberry Finn, die in eine Selbstjustiztragödie hineingezogen werden, mit unheimlicher Lakonie in naturbelassen fotografierte, herb-schöne Wildnis sublimiert.

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