„Sauerkrautkoma“, die nach „Grießnockerlaffäre“ fünfte Kinoausgabe von Rita Falks Eberhofer-Krimis, demonstriert gelassen bis selbstverliebt, wie die Provinz-Krimikomödie inzwischen zur Kultmarke ausgebaut wurde: Ein unverändertes Ensemble vor und hinter der Linse steht für Kontinuität, aber auch die Weigerung, auch nur minimal von der Erfolgsformel abzuweichen. Die Bayernfolklore zieht sich immer mehr ins Private zurück – Verbrechen und Ermittlung sind Marginalien.
Passt scho: Die vierte Provinzkrimikomödie um Rita Falks wurschtigen Ermittler ist ein Prosit der Gemütlichkeit
Ed Herzog, D 2017
Kinostart: 03.08.2017
Story: Nach einer durchzechten Nacht setzt ein SEK-Kommando den Eberhofer Franz fest – er soll einen verhassten Vorgesetzten ermordet haben. Durch ein falsches Alibi seines Kiffer-Vaters auf freiem Fuß, beginnt er mit Lakai Rudi heimlich zu ermitteln, während die Oma eine lang verschollene Jugendliebe aufnimmt.
Von Jochen Plinganz
Auch jenseits des Weißwurschtäquators goutierbar sind die niederbayerischen Eberhofer-Fälle, weniger aufgrund der diesmal stark von Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ inspirierten Kriminalelemente (jeder „Tatort“ bietet mehr Spannung), als dem Mix aus skurriler Heimat- und Typenschau, Sittenkomödie und Provinzposse mit Sebastian Bezzel als gemütlichem Grantler. „Grießnockerlaffäre“ ist glatt der liebenswerteste Schalk der Reihe.
Wertiger, hintergründiger Retro-Krimi um die lebensgefährliche Jagd nach einen Frauenserienmörder in der südspanischen Provinz
La isla mínima, aka Mörderland, Alberto Rodríguez, E 2014
Kinostart: 04.08.2016
Story: Ein Madrider Ermittler-Duo, der republikanische Routinier Juan und der junge Demokrat Pedro, erreichen 1980 den entlegenen spanischen Süden, um im dortigen Marschland einen Serienmörder zu fassen, der seit Jahren junge Frauen foltert und sexuell verstümmelt. Beide werden Ziel von Attentaten.
Von Gnaghi
Alberto Rodríguez, der 2012 den Goya-gekrönten Copthriller „Kings of the City“ hervorbrachte, spricht mit „Marshland“ einen Toast gleichermaßen auf Truman Capote und „True Detective“ aus, wenn er im unzugänglichen Schwemmland des andalusischen Guadalquivir-Deltas die spanische Version der britischen „Red Riding“(dt: „Yorkshire Killer“)-Trilogie vorlegt: Ein Retro-Thriller aus den politischen Nachwehen des Franco-Regimes.
Der vierte Brenner-Krimi mit bewährtem Team macht Josef Hader schwarzhumorig vom Sozial- zum Mordfall, den er selbst aufklärt
Wolfgang Murnberger, A 2015
Kinostart: 19.03.2015, DVD/BD-Start: 17.09.2015
Story: Verwahrlost und mittellos kehrt Simon Brenner ins leerstehende, abrissreife Elternhaus in Graz zurück, wo er vergrätzte Jugendfreunde wiedersieht: Trödelhändler Köck und Polizeichef Aschenbrenner. Was zu Brenners Selbstmord führt, auf die Intensivstation zu Dr. Irrsiegler und einer ganzen Mordreihe.
Von Jochen Plinganz
Seit Wolfgang Murnberger vor 15 Jahren erstmals Wolf Haas’ legendären Schmäh-Detektiv mit „Komm, süßer Tod“ zum Alpen-Kinohit formte, hat er im Laufe der Lenze über „Silentium“ (2004) und „Der Knochenmann“ (2009) immer mehr das Tempo gedrosselt. „Das ewige Leben“ ist bei einer langsam laufenden, sarkastischen Sozialstudie angekommen, eine Clochard-Komödie, aus der sich allmählich ein Kriminalthriller herausschält.
Urig-makabre Krimikomödie und Provinzballade – der zweite Fall von Rita Falks bayerischem Dorfsheriff.
Ed Herzog, D 2014
Kinostart: 16.10.2014, DVD/BD-Start: 17.04.2015
Story: Eine mysteriöse Unfallserie dezimiert die Familie Neuhofer, woraufhin der strafversetzte Landpolizist Franz Eberhofer aktiv wird und auf Femme Fatale Mercedes stößt, die sich ihm zum Missfallen seiner Freundin Susi an den Hals wirft. Mit Ex-Kollege Rudi findet er eine Spur, die bis nach Teneriffa führt.
Von Thorsten Krüger
„Dampfnudelblues“, die erste Eberhofer-Krimi-Adaption, war zwar nur fürs Fernsehen entstanden, aber trotzdem die beste deutsche Komödie des letzten Jahres und später auch im Kino ein Erfolg. Das finanziell deutlich besser versorgte Sequel übernimmt das gleiche Personal vor und hinter der Kamera und erwartungsgemäß auch das gleiche Konzept, womit er definitiv nichts falsch macht – nur der Krimiplot fällt dagegen spürbar ab.
Der würdige Kinoabschuss der belgischen Erfolgsserie ist ein bündiger, nahegehender Hybrid aus Psychokrimi und Serienkillerthriller.
W. Witse – de film, Frank van Mechelen, B 2014
ohne deutschen Start
Story: Der seit Kurzem zurückgezogen in Rente lebende Ex-Kommissar Witse erhält ungebetenen Besuch von seiner Schwester, die er 30 Jahre nicht sah: Ihre Tochter Maggie wurde ermordet und die Polizei tut nichts. Denn die Tote lag an einem britischen Soldatenfriedhof. Und sie ist beileibe nicht das einzige Opfer.
Von Thorsten Krüger
Vergleicht man die ästhetisch, atmosphärisch und organisch gestaltete Crimework des Flamen Frank van Mechelen, der mit „Der Eindringling“ vor neun Jahren einen düsteren Thrillerhit landete, mit dem aseptisch Ödnisniveau, mit dem einen die deutsche „Tatort“-Reihe traktiert, ist eine Verbeugung vor den Belgiern fällig, die ja kürzlich erst den schaurig-beklemmenden Pädophilen-Thriller „The Treatment“ exportierten.
Konfuses Genre-Potpourri, das sich in coole Posen der Ruhrpott-Subkultur wirft, die Narration aber links liegen lässt.
Claude Giffel, D 2013
Kinostart: 31.10.2013, DVD/BD-Start: 30.04.2014
Story: Der Pinguinpfleger und suspendierte Cop Frowein, genannt King, ermittelt auf eigene Faust, wieso ein Kollege nach einer Zechnacht mit Genickbruch an einer Wuppertaler Treppe liegt. Mit einer privaten Soko entdeckt er eine Rachemordserie, die weit in die Vergangenheit zu einer vergessenen Sekte führt.
Von Thorsten Krüger
Das Crowdfundingprojekt mit Ärzte-Mitglied Bela B. als singende Tunte und Christoph Maria Herbst als Reporter-Schmeißfliege ist ein Paradabeispiel für Style Over Substance. In satten Schwarzwerten breitet sich ein Ruhrpott-Noir aus, der glaubt, wenn er nur wild die Genres mixt und sich dabei in furchtbar coole Posen wirft, wäre er ein Kultkandidat wie seine Vorbilder „Pulp Fiction“ und die Edgar Wallace Krimis.
Story: Zum Aktenwälzen strafversetzter Mordkommissar, den aus gutem Grund keiner leiden kann, klärt mit einem kompetenten Araber erst gegen den Widerstand der Vorgesetzten, abschließend auf eigene Faust einen Cold Case um einen vermeintlichen Selbstmord auf, dessen einziger Zeuge ein geistig Behinderter ist.
Von Thorsten Krüger
Die Verwertungsmaschine düsterer Skandinavien-Thriller läuft nunmehr auf Hochtouren, tut sich aber äußerst schwer damit, für die „Millenium“-Trilogie einen würdigen Nachfolger zu finden. „Erbarmen“, der erste Part der fünfteiligen Krimireihe um den Ermittler Carl Mørck von Dänemarks Bestseller-Export Jussi Adler-Olsen, ist es schon mal nicht.
Story: Sommer in Südfrankreich: ein abgelegener Badesee hat sich zum Cruising Spot für Männer entwickelt und auch der junge Franck sucht hier Anschluss. Mit dem an Sex desinteressierten Einzelgänger Henri freundet er sich an, im Athleten Michel findet er einen Lover. Den er zuvor bei einem Mord beobachtete.
Von Thorsten Krüger
Leidenschaft und Tod sind die Pole, zwischen denen sich Alain Guiraudies („Der Ausreißer“) zeigefreudiger wie unterschwelliger Kunst-Thriller bewegt. In lyrischem Minimalismus entwirft er den abgeschiedenen Kosmos eines idyllisches Cruising-Mekkas, ertastet mit trockenem Humor und trotz hellem Sonnenlicht faszinierender Undurchdringlichkeit emotionale Abgründe von Begehren bis Mord.