aka The Distance/Der Abstand, Sergio Caballero, SP 2014
ohne deutschen Start
Sergio Caballero, Direktor des Sónar Musikfestival in Barcelona und Ausrichter des sich jedem Verständnis verweigernden, stoischen Experimentalwerks „Finisterrae“, geht seinen kompromisslosen Weg unbeirrt fort. Wieder buchstabiert er mit einer Avantgarde-Komödie das Absurde durch, alle Konventionen und Rezeptionsgewohnheiten verachtend und den skurrilen Humor durchweg deadpan darbietend. Die Handlung? Nun ja: Drei auf russisch rein telepathisch kommuniziere Zwerge, Scumek, Baransky und Vólkov, sollen im Auftrag eines siechen österreichischen Künstlers (erkennbar an der Lederhose und dem toten Kanickel) „den Abstand“ aus einem abgelegenen sibirischen Kraftwerk rauben.
Um dem Bevölkerungsschwund auf einer dalmatinischen Insel entgegenzuwirken, sabotiert der junge Geistliche Don Fabijan Präservative und Pillen, bis ihm nach neun Monaten die Folgen seines Tuns über den Kopf wachsen. Die kroatisch-serbisch Produktion wäre gerne tragikomisch, wird in den Händen von Vinko Bresan („Marschall Tito’s Geist“) aber zur laschen Dramödie, die sich nicht entscheiden kann, was sie sein soll. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert – das gilt für den Priester wie für den Film, der gut gemeint, aber einschläfernd gemacht ist und nicht im Entferntesten so witzig wie der Trailer ausfällt, weil er seine Pointen ordentlich verschläft.
Giftig-kühle Showbiz-Satire, die Hollywoods schönen Schein in einem unverdünnt ätzenden Panorama psychischer Perversionen auflöst.
David Cronenberg, CA/USA/D/FR 2014
Kinostart: 11.09.2014, DVD/BD-Start: 23.02.2015
Story: Die brandvernarbte Agatha trifft in Los Angeles ein, lernt Star-Chauffeur Jersome kennen und beginnt für die alternde Diva Havanna zu jobben. Doch eigentlich will die von ihrer Familie Verstoßene und Verschwiegene Kontakt zu ihrem Bruder Benji, einem Kinderstar, sowie ihren Eltern Stafford und Christina aufnehmen.
Von Sir Real
Nach seinem vollkommen verunglückten „Cosmopolis“ macht der kanadische Meister fleischlicher und psychischer Abgründe („Die Fliege“) wieder sehr viel mehr richtig. Don DeLillos Finanzfarce konnte David Cronenberg nicht angemessen bebildern, Bruce Wagners Script hingegen richtet er als extracooles Säurebad an – als hätte Bret Easton Ellis einen postmodernen „Boulevard der Dämmerung“ verfasst, mit Hang zum Spirituellen.
Die schwere Last der Angehörigen, wenn ein Psychotiker Hilfe verweigert: formelhaftes, aber fokussiertes Krankheitsdrama.
Christian Bach, D 2013
Kinostart: 09.10.2014, DVD/BD-Start: 10.04.2015
Story: Anstatt nach seinem Abitur auszuziehen, ist der 23-jährige Simon im Elternhaus geblieben, um die kleine Schwester und seine Mutter zu unterstützen. Denn der Vater Hans, ein früherer Stararchitekt, leidet an schwerer Schizophrenie und belastet die Familie schwer, was auch Simons Zukunft behindert.
Von Sir Real
Was wären wir bloß ohne unsere Problemfilme? Ein Musterbeispiel dieser Gattung hat Debütant Christian Bach passabel gefertigt, mehrheitlich als beschwerliches Krankheits- und Familiendrama, weniger als Coming of Age, obwohl aus der Sicht des überforderten jungen Mannes erzählt, dessen Leben stark leidet. Immerhin gut gespielt von Tobias Moretti und Nachwuchsakteur Jonas Nay, die beide den Bayerischen Filmpreis erhielten.
Bleierne Indie-SciFi, die unoriginell durch ein surreales Low-Budget-Drama schleicht.
William Eubank, USA 2014
Kinostart: 10.07.2014, DVD/BD-Start: 07.11.2014
Story: Der an den Beinen gelähmte Nic, seine Freundin Haley und Kumpel Jonah sind Studenten am MIT. Sie lokalisieren das Signal des Hackers Nomad auf einer Fahrt durch Nevada. In der Wüstenkate brechen sie zusammen und Nic erwacht in einem Quarantäne-Labor, wo ihn das Team von Dr. Damon festhält.
Von Sir Real
„The Signal“, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, genialen Störsignal-Apokalypse-Triptychon von 2007, ist William Eubanks Zweitling nach seinem Einstand 2011 mit „Love“ – und wie dieser ein Sundance-gewerbliches Alternative/Mumblecore-Getue. Der Stil ähnelt „I Origins“, der aber mit seiner Wendung emotional packt, während Eubanks lahm vor sich hin treibt und mehr auf Metaphorik denn Realismus setzt.
Matti Bauer, D 2013
Kinostart: 19.06.2014, DVD/BD-Start: 21.11.2014
Über fast zehn Jahre dokumentiert der Münchner Regisseur und Völkerkundler Matti Bauer (bekannt für „Lokalderby“ über die Fußballrivalen FC Bayern/1860 München sowie „Domspatzen“ über den Regensburger Knabenchor) im bayerischen Oberland das Leben der Bäuerin Uschi, die lieber um die Welt reist und als Sennerin den Sommer auf der Alm verbringt, als den elterlichen Hof zu übernehmen. Ein Langzeitporträt – auf bayerisch mit deutschen Untertiteln – über die Selbstfindung einer jungen Frau, leider nicht ansatzweise mit jenen emotionalen Effekten, die Richard Linklater in „Boyhood“ zustande bringt.
Zwei-Personen-Geschlechterdrama à la August Strindberg – mit Stanley Tucci als kontrovers Hassliebender.
Some Velvet Morning, Neil LaBute, USA 2013
DVD/BD-Start: 02.10.2014
Story: Fred hat nach 24 Jahren seine Frau verlassen und steht nun vor der Tür von Velvet, mit der er einmal eine Affäre hatte. An ihren freien Tag nistet sich der Überraschungsbesuch bei ihr ein, bedroht und manipuliert sie erst verbal, dann körperlich. Velvet ist zu höflich, um den aggressiven Gast der Tür zu verweisen.
Von Sir Real
Neil LaBute kehrt zu seinen Ursprüngen als Bühnenautor zurück und rückt nahe an sein Indie-Debüt von 1996, als er mit „In the Company of Men“ einen schweren Machtspielbrocken zwischen Frauen und Männern effektuierte. Sein Zynismus und die Misogynie bleiben vordringliche Ausprägungen auch in dieser großen Hommage an sein ihm sehr verwandtes Vorbild, den schwedischen Dramatiker August Strindberg.
Übernatürlicher Horror, Missbrauchsfall, Kunstthriller: Das alles verquirlt Marina de Van zum konfus-mysteriösen „Carrie“-Nachtmahr
Marina de Van, FR/IRL 2013
DVD/BD-Start: 05.08.2016
Story: Nachdem ihre Eltern durch Möbel regelrecht kaputtgeschlagen wurden, kommt die verstörte Niamh beim befreundeten Nachbarehepaar unter. Obwohl alles nach Kindesmissbrauch und der Schuld der 11-Jährigen an den Morden aussieht, leugnen Pflegemutter Lisbeth und Lehrerin Tanya tapfer das Offensichtliche.
Von Sir Real
Ein Missbrauchsopfer dreht den Spieß um: per Telekinese rächt sie sich an Erwachsenen, die sie und andere Kinder prügeln. Das wäre schickes Genregarn um „Kinder des Zorns“, aber Marina de Van, die für Ozon „Unter dem Sand“ schrieb, danach mit dem Cronenbergschen „In My Skin“ debütierte und die Lyncheske Bewusstseinsstörung „Don’t Look Back“ nachlegte, hat Ambitionen für einen Kunstthriller, kann diese aber nicht entfalten.