Mit Konventionshülsen kämpfendes Thriller-Denkmal für den rehabilitierten polnischen Nationalhelden Ryszard Kukliński.
Wladyslaw Pasikowski, PL 2014
ohne deutschen Start
Story: Obwohl der polnische Oberst Ryszard Kukliński weiß, wie grausam Menschen hingerichtet werden, die für den Westen spionieren, liefert er ab 1972 Informationen über die geheimen Atomkriegspläne der sowjetischen Besatzer für Europa an die CIA. Damit bringt er sich und seine Familie in andauernde Lebensgefahr.
Von Thorsten Krüger
Der Spion, der aus der Kälte kam: Was nach einem B-Action-Titel klingt, ist lediglich der Tarnname des wohl wichtigsten Informanten der Amerikaner vor Ort im Warschauer Pakt, der kaum über seine Landesgrenzen hinaus bekannte polnische Volksarmist Ryszard Kukliński (1930-2004). Dabei sollte diesen Namen jeder kennen, denn er hat entscheidend dazu beigetragen, einen sowjetischen Angriffskrieg zu verhindern.
Philip Seymour Hoffmans letzte Rolle: als desillusionierter alter Fuchs in einem Post-9/11-Agententhrillerdrama nach John le Carré.
Anton Corbijn, GB/USA/D 2014
Kinostart: 11.09.2014, DVD/BD-Start: 18.02.2015
Story: Als der Tschetschene Issa Karpov in Hamburg auftaucht, schrillen die Alarmglocken der seit 9/11 islamistische Terroristen jagenden Geheimdienste. Bachmann, Leiter einer kleinen Einheit, will über Anwältin Richter und Banker Brue an Karpovs Hintermänner gelangen, seine Chefs aber schießen quer.
Von Thorsten Krüger
Der im Februar an einer Überdosis Heroin verstorbene Darstellerguru („The Master“) wirkt von seiner Sucht gezeichnet, nichtsdestotrotz gelingt ihm noch einmal eine eindrucksvolle Leistung als abgehalfterter Koordinator einer winzigen Überwachungsabteilung, die von rivalisierenden Geheimdiensten verraten und von Vorgesetzten für eigene Zwecke missbraucht wird. Leider ist Hoffman das Beste an einem recht schwachen Thriller.
Vorwiegend Familien-Melodrama, nachrangig Zeitreise-SciFi: Haley Joel Osment sucht seinen im Wurmloch verschollenen Vater.
Richie Mehta, CA 2013
ohne deutschen Start
Story: Anno 2000 kehrte Erols Vater Gabe von einer Relativitätskonferenz nicht mehr heim. Zwölf Jahre später studiert der hochbegabte Erol Physik bei seinem Großvater, der glaubt, Gabe sei mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit gereist. Um seine depressive Mutter zu retten, rekonstruiert Erol die Forschungen.
Von Thorsten Krüger
Verschwand in „Siddharth“ ein kleines Kind unauffindbar, ist es nun ein Vater, nachdem seine Angehörigen vergeblich suchen. Statt eines indischen Sozialdramas wählt Richie Mehta jetzt als Ansatz eine kanadisches Mystery, die Melodrama und Beziehungen deutlich stärker als den SF-Aspekt der Zeitreise gewichtet. Mit dem TV-Look und der Anmutung einer „Outer Limits“-Episode gelingt es Mehta erst spät zu bewegen.
Schwarzhumoriger Thriller, der pietätlos-gewitzt zwei vollendet verdorbene Polizisten in tödliche Scharmützel schickt.
Kkeut-kka-ji-gan-da, Kim Seong-hoon, ROK 2014
ohne deutschen Start
Story: Der korrupte Kommissar Ko überfährt auf dem Weg zur Beerdigung seiner Mutter einen Fußgänger, läd ihn in den Kofferraum und begeht betrunken Fahrerflucht. Kaum hat er den Toten im mütterlichen Sarg verschwinden lassen, meldet sich ein Zeuge und erpresst ihn – der noch korruptere Kollege Park.
Von Thorsten Krüger
Ein dummer Zufall bringt den Stein ins Rollen – fortan braucht Kim Seong-hoon im Zweitwerk nach seiner Komödie „How the Lack of Love Affects Two Men“ nur noch die Es-wird-immer-schlimmer-Dramaturgie anzuwenden. Dies aber weit schlauer, hämischer und genüsslich boshafter als Analoges. Was am Script der beiden Autoren liegt, die laufend Twists aus dem Ärmel schütteln – keine billigen, sondern smart-verzwickte.
Apokalyptischer Rachewestern mit Mads Mikkelsen und Eva Green in einer kapitalismuskritischen Moralparabel.
Kristian Levring, DK/GB/ZA 2014
Kinostart: 09.10.2014, DVD/BD-Start: 11.02.2015
Story: Als der dänische Kriegsveteran und Aussiedler Jon 1871 Frau und Sohn in die Pionierstadt Black Creek nachholt, schänden und ermorden sie zwei Verbrecher, bevor Jon diese töten kann. Aber der Bruder des Täters ist der brutale Bandenboss Delarue, der von den Einwohnern Jons Auslieferung erzwingt.
Von Thorsten Krüger
Dogma-95-Mitbegründer Kristian Levring („Wen du fürchtest“) hält sich an die Kodices des Rachewesterns und bricht seine Story auf archetypische Komponenten herunter – überraschungsfrei, aber ausdrucksstark, besonders visuell: Die südafrikanischen Landschaften sind der Ästhetik eines John Ford wie Sergio Leone gleichermaßen verpflichtet, in einer kapitalismuskritischen Moralparabel wie in besten Italowesternzeiten.
Eric Bana in einem verdrießlich-faden B-Derivat aus „Seven“ und „Der Exorzist“ um teuflisch-übernatürliche Vorfälle in New York.
Deliver Us from Evil, Scott Derrickson, USA 2014
Kinostart: 04.09.2014, DVD/BD-Start: 15.01.2015
Story: Ralph Sarchie vom NYPD und sein Partner stoßen in der Südbronx auf eine Spur unerklärlicher Gewaltverbrechen, die auf ein Trio Irakkriegs-Veteranen hinweist. Der spanische Priester Mendoza vermutet darin das Wirken einer dämonischen Macht, welche die Ex-Soldaten aus der Wüste heimbrachten.
Von Thorsten Krüger
Scott Derrickson, der mit „Der Exorzismus von Emily Rose“ und vor allem dem frenetischen Schocker „Sinister“ eine echte Leistungsschau des Horrors aufbot, setzt sein Faible fürs Religiös-Okkulte und dämonische Besessenheit fort. Und gemahnt bei der Adaption des „Tatsachenbuchs“ von Ralph Sarchie, dass er auch langweilen kann – wie mit seinem Remake „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ oder dem Script zu „Devil’s Knot“.
Traurige Sozialsymphonie um einen mittellosen Arbeitervater auf aussichtsloser Suche nach seinem verschwundenen Sohn.
Richie Mehta, CA/IND 2013
ohne deutschen Start
Story: Reißverschlussreparateur Mahendra kann seine Familie in Delhi kaum ernähren, weshalb sein 12-jähriger Sohn Siddharth illegal in einer fernen Fabrik arbeiten muss. Als er zum Diwali-Fest nicht heimkommt und bereits seit Wochen absent ist, vermutet Mahendra eine Entführung und sucht nach ihm.
Von Thorsten Krüger
Das Delhi-Drama des in Kanada geborenen Richie Mehta („Amal“) um eine arme Familie, deren einziger Sohn unauffindbar verschollen ist, bedient sich mit seinem Handkamera-Sozialrealismus bei Satyajit Ray („Die große Stadt“) und Vittorio De Sica („Fahrraddiebe“). Weniger eine „Spurlos“-Odyssee, denn eine mit leicht sentimentalem Score unterlegte Ausführung, was Armut und Ignoranz für Kummer zur Folge haben können.
Die karnevalesk-chaotische SciFi-Sinnsuche mit Christoph Waltz begnügt sich mit Recycling aus Terry Gilliams Œuvre.
Terry Gilliam, USA/RO/GB/FR 2013
Kinostart: 27.11.2014, DVD/BD-Start: 01.04.2015
Story: Das menschenscheue Computergenie Qohen wartet in der Ruine einer Kapelle auf den Telefonanruf, der ihm die Antwort auf alles gibt. So ackert er für das ihn totalüberwachende „Management“ an der Lösung des „Zero Theorems“. Callgirl Bainsley soll ihn bei Laune halten und Wunderkind Bob unterstützen.
Von Thorsten Krüger
Die gute Nachricht: Exzentrik-Visionär Gilliam bereitet keine größere Enttäuschung wie zuletzt „The Brothers Grimm“ und „Das Kabinett des Doktor Parnassus“. Die schlechte: Vom Zenith seiner Kunst, als er oppressiv-apokalyptische Dystopien wie „12 Monkeys“ entwarf, ist er ebenfalls weit entfernt. Sein karnevalesker Steampunk-Eklektizismus auf der Suche nach der Weltformel ist „Brazil“ in bunt bzw. „Pi“ als schräge Komödie.
Nicht nur stilistisch eine Sensation: Die Flucht eines Mädchens vor einem viralen Fluch verängstigt mit nacktem, brillantem Grauen.
David Robert Mitchell, USA 2014
Kinostart: 09.07.2015, DVD/BD-Start: 19.11.2015
Story: Ein vermeintlich harmloses Schäferstündchen mit dem sympathischen Hugh endet für die 19-jährige Jay in blanken Entsetzen: Denn damit hat sich der sonst vorsichtige Detroiter Vorort-Teen einen Dämon eingefangen, der sie in wechselnden Gestalten verfolgt. Mit ihren Freunden versucht sie „Es“ aufzuhalten.
Von Thorsten Krüger
Zwischen Horrordrama und -studie sowie dunklem Jugendthriller hat David Robert Mitchell seinen Zweitling nach dem Coming of Age „The Myth of the American Sleepover“ angelegt, Komik und Poesie daraus aber in toxische Angst verwandelt. Der Disturbia-Vorstadtschrecken eines „Nightmare on Elmstreet“ trifft auf den puren Horror eines „Ringu“-Fluchs, der sich nicht per Ketten-Video, sondern Ketten-Sex verbreitet.
Das emphatische Lehrstück über Angst, Freundschaft und die Dämmerung eines Rassenkriegs ist ein erwachsenes (Action)Drama.
Dawn of the Planet of the Apes, Matt Reeves, USA 2014
Kinostart: 07.08.2014, DVD/BD-Start: 05.12.2014
Story: Zehn Jahre, nachdem die Affengrippe die Menschheit dahingerafft hat, floriert Schimpanse Caesars Stamm im Regenwald oberhalb von San Francisco. Da dringen Malcolm und Ellie in das Revier ein, um einen Staudamm für ihre Stromversorgung zu reparieren. Ein Krieg droht, den die drei abzuwenden versuchen.
Von Thorsten Krüger
Matt Reeves („Cloverfield“) steht Rupert Wyatts Regieleistung aus dem Reboot „Planet der Affen: Prevolution“ in nichts nach, womit Tim Burtons mäßiges B-Movie „Planet der Affen“ endgültig vergessen ist. Unprätentiös, aber eindringlich kreist das perfekt getrickste Sequel um Heimat und Familie in einer deutlichen Allegorie auf Indianer und Weiße, wenn auch das Drehbuch vom Vorgänger-Team nicht mehr ganz so beeindruckt.
Charakterstarveredeltes Ensemble-Theater vor stimmungsreicher Kulisse um tragikomische existenzielle Langeweile.
Christian Camargo, USA 2014
DVD/BD-Start: 02.07.2015
Story: Anfang der 80er in New England. Zum Memorial-Day-Wochenende trifft sich die Verwandtschaft bei der bissigen Elizabeth und ihrem verzweifelt an einer Kunstinstallation arbeitenden Sohn Eric in einer Datscha mitten in der Natur. Verschwiegene Wahrheiten und Liebessorgen kommen ans Licht.
Von Thorsten Krüger
Das Regiedebüt von Schauspieler Christian Camargo („The Hurt Locker“) ist von Anton Tschechows Theaterklassiker „Die Möwe“ inspiriert, wandelt die russische Tragikomödie aber nicht zur zeitlich und örtlich, sondern auch inhaltlich erheblich ab. Stimmung und Besinnung stimmen in der von Schönheit faszinierten Schauspielgruppen-Komödie, die kontraststark (nacht)fotografiert ist, sich aber hinlänglich belanglos gestaltet.
Michael Douglas lernt als Ekel Mitgefühl, Liebe und Zuneigung in einer gefällig-gelungenen Familien-Romcom der Ü60-Klasse.
And So It Goes, Rob Reiner, USA 2014
Kinostart: 06.11.2014, DVD/BD-Start: 15.04.2015
Story: Der misanthropische Immobilienmakler Oren soll sich um seine bislang unbekannte Enkelin kümmern, weil sein Sohn eine Haftstrafe antreten muss. Zunächst versucht er das süße Kind loszuwerden und schiebt sie zu seiner gleichaltrigen Nachbarin Leah ab. Dann verliebt er sich in die verwitwete Lounge-Sängerin.
Von Thorsten Krüger
In einem milden Alterswerk stellt „Harry und Sally“-Regisseur Rob Reiner bewundernswert unter Beweis, wie viel gutes Handwerk ausmacht. Er schafft es, sattsam Bekanntes ohne einen Deut Neues im Autopilot abzufliegen, damit aber so maßvoll witzig, amüsant und charmant zu landen, dass einen diese „Besser geht’s nicht“-Spielart der gehobenen Klasse beachtlich beglückt, auch weil man zwei Veteranen nur zu gerne zuschaut.
Leuchtend-humanistische Fabel, die mit einer Coming-of-Age-Odyssee im vom Krieg gezeichneten Laos zu Herzen geht.
Kim Mordaunt, AUS/T/LAO 2013
ohne deutschen Start
Story: Im Bergland von Nordlaos lebt der zehnjährige Ahlo, der als verfluchter Unglücksbringer gilt. Als man seine Familie wegen eines Staudammprojekts umsiedelt, freundet er sich mit der Waisen Kia und einem Ex-Soldaten an. Sie alle flüchten erneut und nehmen an einem Raketenwettbewerb teil.
Von Thorsten Krüger
Das eindrucksvolle Spielfilmdebüt des Australiers Kim Mordaunt („Bomb Harvest“) vereint seine Fähigkeiten als Dokumentarfilmer mit faszinierendem magischem Realismus, wofür es auf der Berlinale 2013 den Amnesty International Filmpreis plus zwei wichtige weitere gab. Trotzdem fand sich bis heute dafür kein deutscher Verleih, derweil ein Filmfurz wie „Lügen“ ins Kino kommt. Was für ein Armutszeugnis.
aka Lügen und andere Wahrheiten, Vanessa Jopp, D 2014
Kinostart: 11.09.2014
Vanessa Jopps „Lügen“ versammelt alles, was ich am deutschen Film aus ganzem Herzen hasse. Sich in ihrem Beziehungselend suhlende, abstoßende Menschen, die so lange peinlich berührt sind, bis man selbst peinlich berührt ist, sich das anzusehen. An den Darstellern des Ensemblereigens liegt es eigentlich nicht – aber die Unsympathien verteilen sich großflächig: eine kaltherzige Zahnärztin (Meret Becker), ein versoffener Immobilienmakler (Thomas Heinze), die russische Praxisgehilfin (Alina Levshin aus „Kriegerin“), ein Yogalehrer (Florian David Fitz, „Jesus liebt mich“) und weitere, die von ihren Lügen und Täuschungen böse eingeholt werden.
Chilenisches Selbstjustizdrama, das für den Arthaussektor minimalistisch über Moral meditiert – nur leider arg leblos.
Matar a un hombre, Alejandro Fernández Almendras, FR/RCH 2014
DVD/BD-Start: 23.07.2014
Story: Seit Kurzem haust eine Bande Straßenstrolche in der Stadtrandsiedlung des friedlichen Forstarbeiters Jorge. Als Anführer Kalule Jorges Sohn anschießt und nach einer milden Strafe zwei Jahre später seine Tochter zu vergewaltigen versucht, schauen die Behörden weg und Jorge holt die Schrotflinte aus der Vitrine.
Von Thorsten Krüger
Der Rachefilm-Katalog erhält mit diesem lateinamerikanischen Exponat einen weiteren Eintrag, wenn auch keinen sonderlich zwingenden. Der dafür in Rotterdam und Sundance ausgezeichnete Alejandro Fernández Almendras („Huacho – Ein Tag im Leben“) hungert alle Anhänger reißerischer Actionthriller konsequent aus. Sein neorealistischer, von Auslassungen geprägter Autorenstil kommt Götz Spielmanns „Revanche“ nahe.
Dante Lams dunkel schillerndes Amalgam aus Copthriller, Psychodrama und Okkulthorror weist reichhaltige Qualitäten auf.
Mo jing, Dante Lam, HK/C 2014
ohne deutschen Start
Story: Der mental instabile Dave ist das schwarze Schaf der Hongkonger Polizei und schiebt Strafdienst als Wachmann eines Hospitals, wo er mit einer Blutspende das Leben von Hon rettet – ohne zu ahnen, dass der als Bandenboss in einem brutalen Diamantraub Daves Kollegen tötete. Und Hon gelingt die Flucht.
Von Thorsten Krüger
In seinem Beitrag zum diesjährigen Berlinale-Panorama betört Hongkongs Genre-Routinier Dante Lam, Ausrichter einiger Actionthriller wie „The Sniper“ oder „The Viral Factor“, mit bildgewaltigem Kinoformat und künstlerischer Reife. Er betritt wieder „Beast Stalker“-Terrain, fesselt mit einem furiosen Cop-vs-Gangster-Duell, in das sich ein, wenn auch psychologisch trivial angefertigter, „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ einschleicht.
Die Schöne ist das Biest: unaufdringlich-einfühlsame Arthaus-Mystery um die Reifung eines Mädchens zum Werwolf.
Når dyrene drømmer, Jonas Alexander Arnby, DK 2014
Kinostart: 21.08.2014, DVD/BD-Start: 08.01.2015
Story: Die 16-jährige Marie lebt in einem Fischerdorf auf einer entlegenen Insel im Norden Dänemarks bei ihrem repressiven Vater. Liebevoll pflegt sie ihre gelähmte Mutter und beginnt in der Fischindustrie zu arbeiten, wo ihr Ablehnung entgegenschlägt. Menschen verschwinden – und Marie verändert sich.
Von Thorsten Krüger
Was die „Ginger Snaps“-Trilogie als Girl-Splatterdrama ausführt, webt der Däne Jonas Arnby, Requisiteur bei Lars von Trier, als filigranes Coming of Age, dessen feminine Sicht auf die Lykanthropie als Aufbegehren gegen patriarchale Repression unter dem spürbaren Stileinfluss von „So finster die Nacht“ steht. Sensibel und kunstvoll entwickelt Debütant Arnby ein berauschend-kühles Psychohorrordrama, das nicht nur Allegorie bleibt.
Formell formidabler, wenn auch zäher China-Neo-Noir, der einer Mordserie eine sozialkritische Note beifügt.
Bai ri yan huo, aka Black Coal, Thin Ice, Yi’nan Diao C 2014
Kinostart: 24.07.2014, DVD/BD-Start: 06.11.2014
Story: Als Polizisten 1999 nach Leichenfunden in Kohlewerken Verdächtige festnehmen, überlebt nur Zhang den Schusswechsel schwer verletzt. Fünf Jahre später schlägt er sich als alkoholabhängiger Wachmann durch. Wieder tauchen Leichenteile auf. Mit seinen Ex-Kollegen folgt er der Witwe des ersten Opfers.
Von Thorsten Krüger
Wieso der lediglich respektable Film Noir von Yi’nan Diao („Night Train“) den Goldenen Bären gewann – und nicht der phänomenale „Boyhood“ – wird das Geheimnis der Jury-Tröten der diesjährigen Berlinale bleiben. Zumal auch der pechschwarze Episoden-Schocker „A Touch of Sin“ das Reich der Mitte nachdrücklicher porträtierte – nur der lief eben nicht in Berlin. Aber der lakonisch-kunstvolle Arthaus-Stil weiß auch zu gefallen.
Eigentümlich-abstrakte Reise ins Irreale: versponnener Experimentalfilm im Low-Budget-Gewand der Retro-SciFi.
Fosco Dubini, SUI/D 2013
Kinostart: 31.07.2014
Story: Die aus dem Sanatorium zurückgekehrte Psychologin Marta, deren Sohn jüngst verschwand, soll im Jahre 2023 in ein evakuiertes Schweizer Tal fahren, wo aus einem Bergtunnel halluzinogene Gase austreten. Die drei vor Ort gebliebenen Ingenieure eines mysteriösen Biosphärenexperiments sind bereits paranoid geworden.
Von Thorsten Krüger
Der Züricher Regisseur Fosco Dubini, der Dokus über Thomas Pynchon („A Journey Into the Mind of P.“) und Hedy Lamarr („Secrets of a Hollywood Star“) veröffentlichte, hat wieder einen Spielfilm gedreht. Der weist große Einflüsse von Andrej Tarkowski (speziell: „Stalker“) auf, den Utopien Stanislaw Lems (zuletzt in „The Congress“) und der „Das blaue Palais“-Reihe, ganz in Aussehen und Fasson der 60er/70er-SciFi.
Ralf Westhoff, D 2014
Kinostart: 17.07.2014, DVD/BD-Start: 18.12.2014
Generationenkomödie von dem für „Shoppen“ und „Der letzte schöne Herbsttag“ gefeierten Ralf Westhoff, der zwar in originell-treffenden Dialogen die Unterschiede eines 68er-Kommunen-Trios (Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, gerade in „Harms“, Michael Wittenborn) und angepasst-leistungsorientierten Karriere-Studenten (Claudia Eisinger, Karoline Schuch, Patrick Güldenberg) aufeinanderprallen lässt. Die BR/Degeto-Produktion schafft es aber nie, glauben zu machen, wieso die Pleite-Hippies den krass karikierten, undankbar-arroganten Asi-Pack helfen wollen.
Story: Minenarbeiter Dahai landet im Krankenhaus, als er gegen die korrupten Machenschaften neureicher Parvenüs vorgehen will – und greift er zur Schrotflinte. Ein Wanderarbeiter entdeckt derweil den Raubmörder in sich, eine Rezeptionistin erwehrt sich dreister Grapscher und ein Mann versucht den Neuanfang.
Von Thorsten Krüger
Zhangke Jia (Goldener-Löwe-Gewinner mit dem poetisch-politischen „Still Life“) hat aus sich vier knapp überlappenden Episoden ein toxisch-nihilistisches Gesellschaftspanorama über das Reich der Mitte gebraut, wo ungefiltert und eindringlich Underdogs, einfache Bürger und unterprivilegierte Wanderarbeiter in einem Land am Nullpunkt – klimatisch, moralisch, menschlich – ihre (Auto)Aggressionen ausleben.
Suspensereicher Polizeithriller, der statt auf Actionrasanz auf ein eindringliches Moraldrama um Berufsehre und Mordanreize setzt.
Wara no tate, aka Shield of Straw, Takashi Miike, J 2013
Kinostart: 10.07.2014, DVD/BD-Start: 06.11.2014
Story: Kinderschänder Kiyomaru hat eine Siebenjährige ermordet. Deren schwer reicher Großvater Ninagawa lobt eine Billionen Yen aus für den, der den verurteilten Sexualsadisten tötet. Als der sich der Polizei stellt, sollen fünf loyale Beamte ihn binnen 48 Stunden ins ferne Tokio geleiten; und ganz Japan jagt sie.
Von Thorsten Krüger
Takashi Miike hat kaum ein Genre und Tabu („Ichi the Killer“) ausgelassen. Aber seine Flegeljahre sind vorbei, die Perversions-Krone trägt Shion Sono („Why Don’t You Play in Hell?“) und der Fließbandfilmer (fast 100 Titel in 25 Jahren) dreht nun Mainstream. Allerdings auf gehobenen Niveau in diesem straighten Polizeithriller mit mehr Drama denn Action und einem nicht immer glaubhaft auf die Spitze getriebenen Moraldilemma.
Ein erschütterndes Horror-Schicksal schildert in leisen Tönen der Überlebenskampf deutscher Kinder im sowjetisch besetzten Ostpreußen.
Rick Ostermann, D 2013
Kinostart: 28.08.2014
Story: Sommer 1946. Die sterbende Mutter schickt den 14-jährigen Hans und seinen neunjährigen Bruder Fritzchen nach Osten. Sie sollen sich über die Memel nach Litauen zu einem Hof Bekannter durchschlagen. Auf der Hunger-Odyssee durch die Wildnis machen Rotarmisten Jagd auf sie und andere schutzlose Kinder.
Von Thorsten Krüger
Geschätzt 25.000 elternlose deutsche Kinder irrten nach Kriegsende im von den Russen eroberten Ostpreußen und Litauen auf der Suche nach Nahrung, Obhut und Hilfe umher – nur wenige Hundert (!) haben überlebt. Die Öffentlichkeit ignoriert ihr Schicksal bis heute konsequent, Rick Ostermann, Regieassistent von Lars Kraume („Meine Schwestern“), der hier koproduziert, zeigt eindringlich ihr Ringen um Leben und Identität.
Eine Nacht, ein Auto, ein Mann: das One-Man-Road-Drama mit Tom Hardy ist ein brillantes Lehrstück über Charakter und Verantwortung.
Locke, Steven Knight, GB/USA 2013
Kinostart: 19.06.2014, DVD/BD-Start: 23.10.2014
Story: Der gewissenhafte Bauleiter Ivan Locke steigt nach Dienstschluss in seinen Wagen, um zu einer Frau nach London zu fahren, die seinen Beistand braucht. Diese Entscheidung am Telefon Gattin und Chef zu erklären sowie eine wichtige Baumaßnahme zu koordinieren, setzt seine Existenz aufs Spiel.
Von Thorsten Krüger
Für sein Script zu „Kleine schmutzige Tricks“ wurde er oscarnominiert, für den im Original schlicht „Locke“ betitelten Regiezweitling gab es den British Independent Award – beides völlig zu Recht: Der Engländer Steven Knight wagt ein Experiment, das kein Budget, aber ein vielschichtiges Script und den fabelhaften Tom Hardy („Inception“, bald der neue „Mad Max“) als einzig sichtbaren Darsteller einer Existenzkrise hat.
Story: Am letzten Tag der sechsmonatigen Aurora Mars Mission 2 wachsen die Spannungen zwischen der heimkehrreifen Besatzung der Tantalus Base auf dem roten Planeten. Als ein Forscher in eine Höhle einbricht, wird er mit einer fremden Bakterienart kontaminiert, die sich als gefährliche Seuche erweist.
Von Thorsten Krüger
Man kann sich darüber beschweren, Ruairi Robinsons SciFi-Horror nach einer Kurzgeschichte von Sydney J. Bounds kreuze nur „Alien“ mit „The Thing“ als „The Andromeda Strain“ auf dem Mars. Was er auch weidlich tut. Man kann auch monieren, Liev Schreiber, Elias Koteas und Olivia Williams in der früh beendeten Ripley-Rolle seien unterfordert. Aber damit verkennt man die Qualitäten eines ziemlich unheimlichen Werks.