Der Medicus

Hochrangiges Historienabenteuer, das zwischen Orient und Okzident barbarische Religionen und wissenschaftliche Erleuchtung entdeckt.

Der Medicus Cover

The Physician, Philipp Stölzl, D 2013
Kinostart: 25.12.2013, DVD/BD-Start: 22.05.2014
Story: Nachdem eine im England des 11. Jahrhunderts noch unheilbare Krankheit seine Mutter hingerafft hat, schließt sich Rob, nun Waisenkind, einem fahrenden Bader an und hört vom orientalischen Wunderarzt Ibn Sina. Als junger Mann bricht er unter falscher Identität nach Arabien auf, um vom Meister zu lernen.
Von Thorsten Krüger

Philipp Stölzl, Regisseur des packenden Bergsteigerdramas „Nordwand“, gelang eine in deutschen Studios und Marokko entstandene, würdige Adaption von Noah Gordons gleichnamigen Historien-Weltbestseller aus dem Jahre 1986. Als saftiges Mittelalterepos mit allen Schikanen entwickelt die hochrangige Mischung aus „Die Säulen der Erde“ und „Agora“ vielschichtig Erhebendes über Glaube, Wissen und Weisheit.

Das mag nicht so anspruchsvoll sein wie bei Amenábar, rechnet mit der Religion als Feind von Vernunft, Fortschritt und Menschlichkeit aber emotional viel überwältigender ab. Ein Hauch „Der Name der Rose“ weht durch das unverfälschte Bild eines sich im Dreck suhlenden, rückständigen Englands, wo die Kirche der Bevölkerung nur ein primitives Rattendasein erlaubt und Wissensdurst wie Barmherzigkeit fehl am Platze sind.

Sehnsucht nach dem Licht der Aufklärung

Gut vierzig Minuten lang zieht konventionell-gediegen das pralle Frühmittelalter vorüber, derb, lebensfreudig, schmutzig und humorvoll – aus der Perspektive eines Baders (klasse: Stellan Skarsgård) samt seinen barbarischen Methoden und seines Lehrlings Rob (der weitgehend unbekannte Tom Payne). Dieser will kein Warzenausstecher bleiben, sondern sehnt sich nach Weisheit und Bildung, dem noch sehr fernen Licht der Aufklärung.

Seine abenteuerliche Reise ins persische Isfahan mag in ihren kursorischen Schauplatzwechseln und mäßig brillanten Bildern nach routiniert ausfallen, in seinem auf wenige (Innen)Orte beschränkten, menschlichem Drama findet Stölzl zu immer intensiveren Momenten. Besonders Robs von ihm als Fluch erlebten Gabe, bei Berührung zu spüren, dass jemand bald stirbt, lässt ihn anrührend neue Heilmethoden finden.

Sinnesfreudig-bewegendes Epos

Er wird zum besten Schüler Sinas (würdevoll: Ben Kingsley), lebt aber in einer Stadt, die unter Tyrannei und Hasspredigern leidet, in Krieg und Gewalt untergehen wird, weil Fundamentalisten diese Blütezeit blutig beenden. Arroganz und religiöse Tabus verhindern fast, dass die Pest eingedämmt und Herrscher geheilt werden können, mit sanftem Pathos geht die humanistische Wissenschaft in der Revolte unbeschönigt unter.

So klassisch der Schinken auch seiner gut funktionierenden Dramaturgie gehorcht, gerade die unausgelebte Liebe mit Emma Rigby („The Counselor“), die Freundschaft mit Elyas M’Barek („Fack ju Göhte“) verleihen melodramatische Untertöne. Und Robs persönliche Erlösung, den chirurgischen Eingriff zu meistern, der seine Mutter einst gerettet hätte, ist Glück pur in einem sinnesfreudig-bewegenden Epos.

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