Bilocation

Die erschütternden Enthüllungen um unheimliche Doppelgänger sind weniger klassischer J-Horror denn cleveres Identitäts-Drama.

Bilocation Cover

Bairokêshon, Mari Asato, J 2013
ohne deutschen Start
Story: Malerin Shinobu verzweifelt an der Fertigstellung einer Kohlezeichnung für einen Kunstwettbewerb. Da klingelt ihr neuer, blinder Nachbar Masaru und wenige Monate später sind beide verheiratet. Bis eine Doppelgängerin auftaucht und Shinobu von einer Gruppe verschleppt wird, die das gleiche Problem hat.
Von Caroline Lin

Statt der ewigen Geisterschrecken, seit „Ringu“ übliche Standards des japanischen Horrormetiers, nutzt diese schlaue Adaption eines Buchs von Haruka Hôjô den creepy style der Kiyoshi-Kurosawa-Schule („Cure“, „Doppelganger“). Mari Asato, Veteranin vieler Low-Budget-Schocker („Ju-On: Black Ghost“, „Ring of Curse“, die „The Chasing World“-Reihe) gelingt eine Weird Fiction um Existenzrästel tragischer Dimensionen.

Statt dem Übernatürlichen steht das Psychologische in der Bilokation als Variante des aktuell ungemein gefragten Doppelgänger-Motivs im Zentrum. Kein Schizo-Schocker um eine „Dr. Jekyll und Mrs. Hyde“ steht an. Sondern wie ein temporäres Alter Ego, das schon mal gewalttätig wird, hinter dem Rücken einer Frau (Asami Mizukawa aus „Dark Water“) rumort. Mit vier weiteren Betroffene versucht sie der Lage Herr zu werden.

Totales Verwirrspiel, wer die echte bzw. falsche Persona ist

Wie auch im kafkeask-komischen Identitätsklau „The Double“, dem Teenie-Grusler „Another Me“ oder dem undurchdringlichen Kunst-Mysterium „Enemy“ geht es darum, den Verstand und die Kontrolle über sein Leben zu behalten. Die ohne Extras und Tempo dargebotene Story aber ist smarter und weit komplexer als zunächst augenfällig und zettelt in der Folge ein totales Verwirrspiel an, wer die echte bzw. falsche Persona ist.

Ob man sich mit seinem zweiten Ich aussöhnt oder von dem aggressiven Unding ermordet wird, ist nur eine Seite der Rätselnuss, die nach einem Twist wie aus „Into the Mirror“ den Erkenntnis-Schock nutzt, um Scheidewege im Leben à la „Sliding Doors“ aufzuzeigen. Das ist, Logikleiden hin, zu knappe Charakterisierung von Shinobus Gatten her, sehr durchdacht und ziemlich erschütternd, weil hier das Schicksal am Werk ist.

Menschen, die sich in eine Illusion verlieben

Wer die beiden J-Pop-Stars Kento Senga und Sho Takada in den Nebenrollen nicht erkennt und ergo nicht in Gekreisch ausbrechen muss, hat Zeit, die tragischen Dimensionen von Menschen zu ermessen, die sich in eine Illusion verlieben, der kann die entscheidenden Momente erleben, in denen sich Existenzen teilen, der kann im gedankenvoll-traurigen, bewegenden Schluss versuchen, den verstörenden Gehalt all dessen zu begreifen.

Mit der gekonnt angewandten Technik des unzuverlässlichen Erzählens meditiert Asato damit auch über soziale Normen für Frauen in Japan (finster: Alleinstehend, pastellwarm: Hausfrau) und wie patriarchale Ordnungen Psychosen auslösen können. Summa summarum: Vorzügliches Remake Material, wie man so schön sagt. Und die Fortsetzung „Bilocation Ura“, ebenfalls nach Haruka Hôjôs Vorlage, ist in Japan bereits angelaufen.


Trailer nur auf Japanisch!

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