Die Augen des Engels

Michael Winterbottoms ambitionierte, aber heillos verquaste Phantasmagorie zum Amanda-Knox-Fall versackt in planloser Langeweile

Die Augen des Engels Cover

The Face of an Angel, Michael Winterbottom, GB/I/E 2014
Kinostart: 21.05.2015, DVD/BD-Start: 24.11.2015
Story: Der geschiedene Regisseur Thomas reist nach Siena, um vor Ort den Prozess der US-Studentin Jessica zu verfolgen und nach dem Buch von Journalistin Simone einen Doku-Essay zu drehen. Im Kokainrausch scheitert er von Beginn an und verliert sich in der italienischen Stadt und eigenen Alpträumen.
Von Sir Real

Nach dem kontroversen Mordprozess um Amanda Knox (die hier Jessica Fuller heißt) fabuliert der Brite Michael Winterbottom kurz nach seinem „The Trip to Italy“ sogleich wieder vor italienischen Kulissen, nunmehr als Sinnestäuschung in dunklen Brauntönen. Er ist so ambitioniert wie seine Hauptfigur (ein uncharismatischer Daniel Brühl, „Rush“) und scheitert wie diese, was trotz größerem Gähn-Faktor von gewissem Belang bleibt.

Winterbottom kann nicht entscheiden, was „Die Augen des Engels“ sein soll und treibt planlos zwischen unauflösbarer Murder Mystery, Thriller, Medienstudie, Charakterporträt, Liebesdrama und Halluzination. Der True-Crime-Gehalt ist so spannungsarm wie bei Egoyans „Devil’s Knot“, dafür so intellektuell verquast wie dessen „Ararat“. Und das Gothic-Phantasmagorische passt so gar nicht zu Winterbottoms dokumentarischer Ader.

„Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und Dantes „Inferno“

Damit sind die überzogen suggestiven Alpträume um den Irrgarten, in dem sich Thomas (Typ: Koksnase/Knallkopf) verliert, zwar bemüht, mystisch, dunkel und immersiv zu wirken, aber der Versuch „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ nachzuahmen missrät so arg wie dasselbe bei Dantes „Inferno“. Vieles bleibt nichtssagend und bringt emotional nichts hervor, wie der unmotivierte Sex zwischen Brühl und Beckinsale („Stonehearst Asylum“).

Ferner interessiert sich „Die Augen des Engels“ ebenso wenig dafür, den komplizierten Fall mit seinen erheblichen Zweifeln und Ungereimtheiten, mit Korruption und Vorurteilen angemessen darzulegen. Die zwanghafte Wahrheitssuche und das Scheitern daran bleibt im Prosaisch-Ungefähren stecken. Ein Verbrechen nicht aufzulösen bringt „Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana“ besser auf den Punkt.

Poem der Verlorenheit eines Schwermütigen

Und dem Wahn zu verfallen kann „Barton Fink“ kafkaesker. Da Winterbottom unbedingt noch Ebenen von Kreativprozess (Drehbuchschreiben) sowie Kunst- und Mediendiskurs bemüht, nähert er sich (thematisch, nicht qualitativ) dem brillanten „Die Wolken von Sils Maria“ an. Gleichwohl: Nicht nur als Poem der Verlorenheit eines Schwermütigen und dem Wiederfinden der (Lebens)Liebe ist „Die Augen des Engels“ von Interesse.

imdb ofdb

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