DVD/BD-Start: 24.09.2015
Man stelle sich „Interview mit einem Vampir“ im Stile von Linklaters „Before Sunrise“ vor; oder wenn Leos Carax „Lady Dracula“ von Jean Rollin adaptiert hätte – dann kommt man der poetischen Indie-Romanze mit dem erotischen Todeshauch von Tourneurs „Katzenmenschen“ schon näher. Justin Benson und Aaron Moorhead, die mit dem beunruhigenden „Resolution“ debütierten, bekennen in „Spring“: Liebe ist die seltsamste Kreatur.
Bevor es dazu kommt, beschreiben sie in einem ganz eigenen Ansatz, der sich an die Nouvelle Vague wie das Free Cinema anlehnt, und dessen ungeschönter Realismus nicht einer gewissen trockenen Tragikomik entbehrt, wie Evans vom Krebs gezeichnete Mutter mit einem Witz auf den Lippen stirbt. Tod und Verfall sind stete Begleiter eines uneiligen Driftens, das mehrfach die Richtung wechselt und in dem alles möglich scheint.
Dass die beginnende Zuneigung, aus der eine erwachsene Beziehung sprießt, interessiert und berührt, liegt an den selbstbewussten, authentischen, dreidimensionalen Charakteren: Evan (Lou Taylor Pucci aus „Evil Dead“) ist ein sensibler Backpacker, der sich treiben lässt, die geheimnisvolle Louise (tolle Entdeckung: die Münchnerin Nadia Hilker) eine Femme Fatale (und mehr), in einer verrückten, lebensgefährlichen (Todes)Liebe.
„Spring“ hat nichts Amerikanisches an sich, sondern etwas sehr Europäisches, wo Altertum, Kunst und Mystik ein leicht okkultes Flair einer alternativen Atmosphäre abgeben, eine rockige, rau-sanfte, schöne Bildsprache (samt schwindeligen Kameraflügen und flinker Montage) die gelösten, doch intim-persönlichen Dialoge und Lebensgespräche begleiten. Was ohne die superben Darsteller niemals seine Wirkung entfalten könnte.
„Mother nature is crazy“: Die Anklänge an „Afflicted“ und „When Animals Dream“ sind nicht von Ungefähr, Sexualität und Sensibilität, Attraktion und verwesende Kadaver führen in die evolutionäre Urzeit zu Ligeia-Tintenfisch-Monstern, zu Poe und Lovecraft. „Spring“ ist eine Flucht zweier Liebender, die über alles reden können, ganz nüchtern über Biologie und Chemie. Aber im Endeffekt ist das alles gehörig magisch.
Benson und Moorhead betrachten das medizinische Problem exakt so wie die Indie-Entdeckung „Siren“, nur mit dem Atem der Geschichte, der Tragik von Pompeji, der Urkraft von Vulkanen, tiefromantisch, aber unsentimental und frei von falschem Schmalz, eine berückende bizarre Lovestory von hohem cineastischen Wert. Sowie einigen philosophischen Wahrheiten: Wir sind im Hier und Jetzt – nichts dauert ewig.
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