Unter dem Sand

Verschleppte Kindersoldaten graben im Akkord nach Sprengfallen: packende dänische Lektion in Deutschenhass und (In)Humanität

Unter dem Sand Cover

Under sandet, aka Land of Mine, Martin Zandvliet, DK/D 2015
Kinostart: 07.04.2016, DVD/BD-Start: 22.09.2016
Story: Mai 1945. Vierzehn zum Volkssturm eingezogenen Hitlerjungen müssen als Kriegsgefangene wie viele andere Deutsche die Strände Dänemarks von im Sand vergrabenen Landminen befreien – mit bloßer Hand, ohne Schutz und Verpflegung. Fast alle sterben unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Von Jochen Plinganz

Deutsche Opfer im Zweiten Weltkrieg? Eine Randnotiz, die in der hiesigen (cineastischen) Geschichtsschreibung kaum Platz hat, wo man sich darin überbietet, die eigene Schuld auszuwalzen. Dass die Rache der Sieger keineswegs ohne ausgiebige Verbrechen gegen die Menschlichkeit blieb, macht dieses suspensegeladene Drama, das den Horror unter freiem Idyll-Himmel kurz nach der bedingungslosen Kapitulation schildert, eindringlich klar.

Das mit nur wenig Personal an einem malerischen Dünenstrand spielende, um keinen Schrecken und Elend verlegene Kriegsgefangenenlehrstück „Unter dem Sand“ stammt vom dänischen Regie-Auteur Martin Zandvliet, bekannt für Klasse statt Masse („Applaus“). Prägnant nüchtern und unsentimental, in seinen Emoszenen aber mitfühlend vorgetragen, funktioniert dies als Thriller: „The Hurt Locker“ ohne Bombenschutzweste.

Der Lohn der Angst? Nur der Tod

Denn ein Trupp aus vierzehn minderjährigen deutschen Soldaten, die von Heimat und Familie unter falschen Versprechungen verschleppt wurden, verreckt einer nach dem anderen auf grausame Weise, wenn sie ohne jede Ausbildung, Schutz, Ausrüstung, Nahrung und ärztliche Hilfe per Hand 45.000 Minen an einem Strandabschnitt entschärfen müssen. Ihr Schicksal schildert „Unter dem Sand“ in voller Härte zu sanfter Musik.

Der Lohn der Angst? Nur der Tod. Die Kamera bleibt ganz nah an Gesichtern und Sand, wodurch eine kaum erträgliche Dauerspannung durch die ununterbrochene Explosionsgefahr entsteht. Behandelt wie Hunde, kaum anders als KZ-Insassen, werden die 15- bis 19-Jährigen von einem grobschlächtigen Unteroffizier (Roland Møller, „Hijacking“) und seinen Vorgesetzten brutal aller Träume, Illusionen und Hoffnungen beraubt.

„The Hurt Locker“ ohne Bombenschutzweste

In der Nachkriegsatmosphäre herrscht ein Wettbewerb, wer besonders skrupellos zu den Gefangenen ist, die unter Willkür und Grausamkeit langsam zerbrechen. Ihr qualvolles Krepieren geht zwar nicht immer zu Herzen und ein paar unglaubwürdige Drehbuchvolten didaktischer Natur schränken die Wirkung leicht ein. Aber die bittere Lektion betrügt sie glaubhaft um ihre Zukunft – für die Jugendlichen ist keine Heimkehr vorgesehen.

Nur ihr Kommandant zeigt schließlich Menschlichkeit in einem inhumanen System, was Zandvliet nicht als Genre-Weg wie den jüngste Rache-Exploiter „Landmine Goes Click“ (Bosnienkrieg) wählt, sondern als ernsthafte Auseinandersetzung mit der Geschichte. „Unter dem Sand“ hat die historisch verbürgte Authentizität eines „Wolfskinder“, aber mehr Format. Ein wichtiger Beitrag, der ohne Zuschauer bleiben wird. Wieder einmal.

imdb ofdb

2 Gedanken zu „Unter dem Sand“

  1. Pingback: Filmbesprechung: Unter dem Sand « Spurensucher Rück-Spiegel
  2. Krass. Bitter aber auch das Resümee: “Ein wichtiger Beitrag, der ohne Zuschauer bleiben wird. ”

    P.S. Ich war schon so lange nicht mehr auf eurem Blog. Ist richtig schön, wie nach längerer Zeit in ein Urlaubsland zurückzukehren. 😉

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