C’est arrivé près de chez vous aka Man Bites Dog, Rémy Belvaux, André Bonzel, Benoît Poelvoorde, BE 1992
Auf DVD erhältlich
1992, als Mockumentarys noch originell waren, ließ ein bis dahin unbekanntes belgisches Trio eine schwarzhumorige Serienkiller-Satire vom Stapel. Im auf körnigem Schwarzweiß gedrehten, mörderischen No-Budget-Kultfilm, in dem ein Sensationsreporterteam einen Massenmeuchler bei der Arbeit begleitet, manifestiert sich „Peeping Tom“ als politisch unkorrekte Anarchisten-Sottise. Während ein gut gelaunter Satan (prägt das Werk: Benoît Poelvoorde) offenherzig Auskunft gibt, korrumpiert der Kumpeltyp die Dokumentaristen moralisch.
Es geschah am helllichten Tag: Unheilvolle Thrillertragödie, die Glaube und Menschenwürde begräbt, biblische Todsünden hingegen düngt.
Denis Villeneuve, USA 2013
Kinostart: 10.10.2013
Story: Als an Thanksgiving die kleine Anna und ihre gleichaltrige Freundin beim Spielen spurlos verschwindet, findet Detective Loki nur den geistig zurückgebliebenen Alex vor, muss ihn aber wieder laufen lassen. Für Annas Vater Keller steht fest: Alex ist der Entführer. Er verschleppt und foltert ihn für ein Geständnis.
Von Thorsten Krüger
An Lob für das abgründige Thrillerdrama des Frankokanadiers Denis Villeneuve („Die Frau, die singt“) mangelt es wahrlich nicht. Die Wandlung eines Familienvaters zum gnadenlosen Folterer ist vorwiegend Selbstjustizdrama, gemahnt an das moralische Dilemma des Daschner/Gäfgen-Falls und teilt Weltsicht wie diverse Plotmotive aus besonders abgründigen Klassikern von David Fincher, Clint Eastwood und Jonathan Demme.
In jedem Sinne phantastisches, mysteriös-bezauberndes Jugend-Anime-Abenteuer, das visuell betörend über Leben und Vergehen sinniert.
aka Die Reise nach Agartha, Hoshi o ou kodomo, Makoto Shinkai, J 2011
auf DVD erhältlich
Story: Auf einem Felsvorsprung empfängt die junge Asuna mit dem Clavis-Kristall ihres verstorbenen Vaters betörende Musik. Die stammt aus Agartha, dem Land der Toten, aus dem auch Shun kommt, der sie vor einem Monster rettet. Mit dem Lehrer Morisaki folgt sie ihm dorthin, um Verstorbene zu finden.
Von Caroline Lin
Makoto Shinkai, berühmt für Poeme wie „5 Centimeters per Second“, betritt mit seiner nach „The Place Promised in Our Early Days“ erst zweiten abendfüllenden Animation Studio-Ghibli-Terrain: Er verpackt eine spirituelle wie emotionale Orpheus in der Unterwelt-Odyssee in hellen Pastelltönen als Jugend-Fantasy durch eine wildromantische Wunderwelt. Fast wie ein früher Miyazaki – nicht kitschfrei, aber anrührend.
Story: Kaum hat Krankenpflegeschülerin Asuka mit ihren Eltern und dem jungen Bruder einen verlassen wirkenden Apartment-Komplex in der Stadt bezogen, beginnen merkwürdige Vorfälle, die vom toten Nachbarn bis zum mysteriösen Spielplatzjungen reichen. Junghandwerker Sasahara hilft in eskalierender Gefahr.
Von Jochen Plinganz
Hideo Nakata, Erschaffer des revolutionären „Ring“, damit fast alleiniger Initiator der J-Horror-Welle und ungekrönter Schreckens-Tenno Nippons, recyclet vorwiegend eigene Motive zu einem soliden Geisterspuk. Was sich zunächst wie ein wenig motivierter Versatzstück-Verbund ausnimmt und ein stereotypes I-See-Dead-People-Szenario dichtet, wandelt sich zur durchdacht konstruierten Tragödie über Schuld und Trauer.
Fernab von Sci-Fi-Elementen setzt sich Andreas Eschbach so vielschichtig wie provokant mit Selbstjustiz und den Folgen von Gewalt auseinander.
Andreas Eschbach, D 2013
Erscheinungstermin: 20.09.2013
Story: Als zwei Berliner U-Bahnschläger einen Rentner fast tot treten, erscheint ein strahlender Engel, der sie mit Kopfschüssen hinrichtet. Dieses Video wird dem Journalisten Ingo Praise zugespielt, der daraufhin mit der TV-Talkshow „Anwalt der Opfer“ zum Medienereignis wird. Denn der Racheengel hat viel Arbeit.
Von Thorsten Krüger
Ein diffiziles Sujet hat sich der Bestseller-Autor („Das Jesus-Video“) mit seiner nicht immer dazu passenden, flotten Schreibe nah am Boulevard ausgesucht: Aus den verschiedenen Perspektiven eines ganzen Ensembles untersucht er die verheerenden Auswirkungen von Gewalttaten auf das weitere Leben der Opfer und unseren rücksichtslosen Umgang damit in medialer und rechtlicher Hinsicht.
Actionthriller der gehobenen Klasse, der vergleichsweise realistisch-kritisch Rolle und Abgründe von Geheimdiensten inspiziert.
Hamilton: I nationens intresse, Kathrine Windfeld, SW 2012
DVD/BD-Start: 25.09.2012
Story: Obwohl er im Zuge eines Kriegsflashbacks seiner Freundin die Kehle aufschlitzte, dient Spezialagent Hamilton weiterhin der schwedischen Regierung. Er muss die Spur eines afghanischen Waffendeals nach Somalia verfolgen, wobei er ein Komplott und Anschlagspläne in seiner Heimat entdeckt.
Von Gnaghi
Schwedens Antwort auf James Bond lautet seit über 25 Jahren Agent Hamilton, der in Dutzenden Büchern und Verfilmungen im Dienste der Stockholmer Regierung steht. Nur sind seine Aufträge deutlich realitätsnäher und kritischer gegenüber eigenen und fremden Geheimdiensten – ein glaubhafter Einblick in die Welt der Agenten, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, und ein Actionthriller über kontemporäre Krisenherde.
Snuff im Kabuff: frenetischer Horror-Schocker mit Einflüssen von „Ring“ und „The Shining“ um einen Serienkillerdämon.
Scott Derrickson, USA 2012
auf DVD erhältlich
Story: Um seinen Einmal-Erfolg zu wiederholen, zieht der klamme True-Crime-Autor Ellison samt seiner ahnungslosen Familie in ein Anwesen, wo ihre Vorgänger brutal im Garten erhängt wurden. Kaum hat er auf dem Dachboden eine Kiste Super-8-Filme mit den Morden entdeckt, beginnt ein finsterer Spuk.
Von Thorsten Krüger
„Ring“ dürfte eine ganze Generation als ihr zentrales Angsterlebnis im Kino definieren. Reifere Semester nennen „The Shining“ an dieser Stelle. Wieso also nicht beide Klassiker zu einem satten Mainstream-Schocker kombinieren, dachte sich Scott Derrickson („The Exorcism of Emily Rose“) und dreht so frenetisch auf, als wolle er den Schrecken seiner Vorbilder im Akkord toppen.
Eigentlich ist „Leviathan“ eine Dokumentation über die Arbeit auf einem Hochseefischerkutter im Nordatlantik. Tatsächlich aber hat das Duo Lucien Castaing-Taylor und Verena Paravel in alleiniger Abwicklung einen Experimentalfilm geschaffen, bei dem Industrie und Natur kollidieren und damit abstrakte Avantgarde erzeugen. Das geht dermaßen in die Extreme, als hätte Gaspar Noé nach Dogma-Regeln im Bauch eines Wals gedreht.
Wild, Wild West: Gore Verbinski schwankt zwischen Western-Spektakel und Kritik am US-Genozid an den Indianern.
The Lone Ranger, Gore Verbinski, USA 2013
Kinostart: 08.08.2013 DVD/BD-Start: 05.12.2013
Story: Der kurzfristig zum Ranger ernannter Staatsanwalt John Reid liegt nach einem Hinterhalt schwer verletzt im Sterben und will, wiedererweckt durch den einsam-verrückten Komantschenkrieger Tonto, seinen Bruder rächen. Auf dem Gewissen hat ihn Psychopath Cavendish, der für einen Eisenbahn-Tycoon mordet.
Von Thorsten Krüger
Entgegen mancher Unkenrufe ist die sündteure Disney-Extravaganz des „Pirates of the Caribbean“-Teams Bruckheimer/Verbinski/Depp kein hirntoter 250-Millionen-Flop wie „John Carter“, sondern Deluxe-Entertainment, das seinen Anspruch hinter Buddykomik und Effektschlacht verbirgt. Die mythische Rächer-Fabel nach einer bei uns nahezu unbekannten Serien-Figur siedelt nicht immer stimmig zwischen Komödie und Tragödie.
Hinter der Kitschfassade: im schillernd-intimen Porträt einer Lustliebe liefern sich Matt Damon und Michael Douglas Szenen einer Ehe.
Behind the Candelabra, Steven Soderbergh, USA 2013
Kinostart: 03.10.2013, DVD/BD-Start: 05.03.2014
Story: Mit zwanzig sieht der bisexuelle Tierpfleger Scott eine Show des Star-Entertainers Liberace, der ihn sogleich begehrt. Als heimlicher Lover des eine Generation älteren Exzentrikers zieht der Landjunge in seinen Palast in Las Vegas, wo der den Lustknaben nach seiner Façon formt, bis er ihm überdrüssig wird.
Von Sir Real
Steven Soderberghs Abschiedsgeschenk an das Kino fand keinen Studiofinanzier, weshalb das Biopic um Sex, Lügen und Prunksucht erst mit Geldern des TV-Senders HBO entstand. Richard Lagravanese („Freedom Writers“) adaptierte Scott Thorsons Buch über seine zehn gemeinsamen Jahre mit der Glitzershow-Legende Liberace, der 1987 an Aids starb: Als Liebes- Ehe- und Scheidungsdrama über Schönheitswahn und Exzentrik.
Virtuos choreographierte, schräge Anarcho-Komödie mit Sinn für dadaistischen Humor im Geiste Boje/Bucks und Helge Schneiders.
Leander Haußmann, Sven Regener, D 2013
DVD/BD-Start: bereits erschienen
Story: Ein Hai hat dem Bademeister am idyllischen Müggelsee den Arm abgerissen. Woraufhin der Bürgermeister des verschlafenen Friedrichshagen am östlich Stadtrand Berlins mit Wahlkampf- und Marketing-Experten den lukrativen Hai-Alarm auslöst. Haijäger Snake soll dem Untier nachstellen, hat aber Frauenärger.
Von Thorsten Krüger
In der hohen Kunst des Humors übt sich das Kreativ-Duo Leander Haußmann und Sven Regener („Herr Lehmann“), wenn sie „Der weiße Hai“ als virtuose Anarcho-Komödie mit Sinn für Dadaismus und Anleihen bei Detlev Buck, Aki Kaurismäki, Herbert Achternbusch plus vor allem Helge Schneider neu auflegen. Selbst geschriebene, schrullige A-Capella-Songs begleiten die Provinz-Ballade im Alternativ-Low-Budget-Look.
Der Teufel tanzt weiter: Fede Alvarez’ ultrabrutalem Sam-Raimi-Remake mangelt es nicht an Perfektionismus, aber an Charme.
Fede Alvarez, USA 2013
Kinostart: 16.05.2013, DVD/BD-Start: 02.10.2013
Story: Die drogenabhängige Mia, ihr Bruder David und drei College-Freunde verbringen ein Wochenende in der elterlichen Waldhütte fernab der Zivilisation, um Mia beim Entzug zu unterstützen. Statt dessen ergreifen versehentlich herbeigerufene Dämonen Besitz von ihnen und können nur mittels eines Beschwörungsbuchs vernichtet werden.
Von Thorsten Krüger
Allen Horror-Updates der letzten Dekade ist weitgehend eins gemein: Sie professionalisierten und perfektionierten die Low-Budget-Vorbilder, wodurch deren Charme des Unfertigen, ihre von technischen und finanziellen Unzulänglichkeiten forcierte Kreativität und die unverwechselbare Atmosphäre in eine geglättete Design-Leistungsschau der Thrill- und Terror-Elemente für ein Mainstreampublikum transformiert wurden. Subversion verwandelte sich in Konsumierbarkeit, anarchischer Independent-Spirit wurde von routinierter Studio-Kalkulation geschluckt.
Will Smith spinnt Scientology-Stuss und befreit seinen Sohn von der Angst auf einer postapokalyptischen Wildlife-Erde.
M. Night Shyamalan, USA 2013
Kinostart: 06.06.2013, DVD/BD-Start: 17.10.2013
Story: Tausend Jahre in der Zukunft ist die Erde ein verlassener Quarantäne-Planet, auf dem das Raumschiff des legendären General Raige abstürzt. Schwer verletzt schickt er seinen 13-jährigen Sohn Kitai durch den Urwald und seine tödlichen Lebensformen, um ein Notsignal zu senden. Dort lauert ein Alptraum-Monster.
Von Jochen Plinganz
Scientology-Werbefilm von Wilhelm Schmidt & Sohn, die sich, nach „The Pursuit of Happyness“ wieder vereint, an einem Vater-Sohn-Drama auf der postapokalyptischen Erde versuchen. Als 130 Millionen Moppen teures Actionspektakel. In unbedingter Treue zu John Travolta, der mit „Battlefield Earth“ Sektentrash verzapfte, folgt diese Farce seinen Spuren:
205 – Zimmer der Angst, Rainer Matsutani, D 2011
Kinostart: 04.04.2013 DVD/BD-Start: 30.09.2013
Fader Mix aus Studentenmystery, Psychothrillerwahn, Kriminalfall und Geisterhorror, bei dem Rainer Matsutani („Nur über meine Leiche“, „666 – Traue keinem, mit dem Du schläfst!“) abermals unterstreicht, was für ein trostloser TV-Routinier er ist. Erschreckend (neben dem üblen Titel) ist an dem deutsche Remake des kassenträchtigen, künstlerisch aber wenig berühmten dänischen „Room 205“ bestenfalls die Einfallslosigkeit, mit der in kalten Bildern ein fürchterlich konstruiertes Isolations-Szenario mit unsympathischen Visagen heraufbeschworen wird.
Ans Innerste rührendes Zeichentrickmeisterwerk im Geiste Miyazakis um die Lebensgeschichte einer Mutter und ihrer beiden Wolfskinder.
Okami kodomo no ame to yuki, Mamoru Hosoda, J 2012
DVD/BD-Start: bereits erschienen
Story: Kaum hat sich Hana in einen mysteriösen Mitstudenten verliebt, erwartet sie auch schon zwei Kinder von dem Mann, der ihr gesteht, der letzte Wolfsmensch zu sein und kurz darauf umkommt. Als junge Witwe zieht sie mit der älteren Yuki und dem kleinen Ame in die Berge, um allein zwei Wolfskinder großziehen.
Von Sir Real
Es gibt Filme, die einfach glücklich machen: Schön wie ein Haiku beschreibt Mamoru Hosoda in seinem vierten Animé und vorläufigem Meisterwerk die Lebensgeschichte einer Familie als kitschfreies Märchen von der aufopferungsvollen Hana („Blume“), ihrem ängstlich-schwachen Sohn Ame („Regen“) und dessen älterer, mutiger Schwester Yuki („Schnee“), die als Erzählerin fungiert.
Schwungvoll-elegante Katz-und-Maus-Mystery, die sich selbst mit David-Copperfield-Tricks an der Nase herumführt.
Now You See Me, Louis Leterrier, FR/USA 2013
Kinostart: 11.07.2013
Story: Nach einer mysteriösen Einladung raufen sich vier mäßig erfolgreichen Einzel-Illusionisten zu den „Four Horsemen“ zusammen, die in großen Live-Shows ihr Publikum mit Bankraubzügen verblüffen und anschließend mit der Beute beschenken. FBI und Interpol stellen ihnen mit Hilfe eines Branchen-Veterans verbissen nach.
Von Thorsten Krüger
Eigentlich funktionieren Kartentricks im Kino nicht, weil das Kino selbst ein großer Trick ist. Aber in der rasant-charmanten Mystery vom Franzosen Louis Leterrier („Kampf der Titanen“) führen sich die Protagonisten so schwungvoll-elegant an der Nase herum, dass der aufpolierte David-Copperfield-Caper-Spaß einer glitzernden Zaubershow aus Las Vegas gleicht.
Actionreiches Entertainment-Paket, das mit Terrorismus und Kriegstreiberei ferner denn je von Roddenberrys Friedensvision liegt.
J.J. Abrams, USA 2013
Kinostart: 09.05.2013, DVD/BD-Start: 12.09.2013
Story: Kaum wurde Heißsporn Kirk wegen eines Direktiven-Verstoßes des Kommandos über die U.S.S. Enterprise enthoben, erhält er es im Zuge eines den Tod seines Mentors fordernden Terroranschlags zurück, um in einer Geheimmission Terrorist Harrison in Klingonengebiet zu jagen. Doch jemand spielt falsch.
von Thorsten Krüger
Star Trek Teil 12, oder Nummer zwei nach dem Reboot von „Lost“-Guru J.J. Abrams, rekurriert auf den Original-Nachfolger „Star Trek II: Der Zorn des Khan“, indem er den mit starker Präsenz fesselnden Benedict Cumberbatch („Der Hobbit“) als Übermenschenzüchtung Khan einer Racheagenda folgen lässt.