Concussion

Die Queer-Version von „Belle de Jour“ ist eine ungeniert-erwachsene Sundance-Perle über feminine Identitäts- und Glückssuche.

Concussion Cover

Stacie Passon, USA 2013
Kinostart: 05.12.2013
Story: Eine Platzwunde am Kopf, verursacht von ihrem kleinen Sohn, ist Anlass für die lesbische Hausfrau und zweifache Mutter Abby, aus ihrer Vorstadtehe mit der frigiden Kate auszubrechen. Sie beginnt ein Doppelleben als Call Girl für Frauen und entdeckt Sinnlichkeit und Sinn jenseits ihres trivialen Alltags.
Von Thorsten Krüger

Für ihr spielerisch-leichtes und doch sensibel-tiefsinniges Indie-Drama um ein bizarres Doppelleben gewann Stacie Passon völlig zurecht den Teddy Award. Doppelbödig, mit boshaftem Dialogwitz und handfesten, jedoch nie expliziten Bettabenteuern, zeichnet die Entdeckung vom Sundance-Festival mit einer faszinierend-nuancierten Leistung von Robin Weigert („Deadwood“) die Sinnsuche in einer Midlife-Crisis nach.

Sanft zurückgenommen wie die ausgeblichenen Farben entwirft Passon ein flott montiertes Kaleidoskop, das Alltagsausschnitte zu einem humorvollen Mosaik zusammenwürfelt und eine Desperate Housewife in einer oberflächlich gesehen perfekten Vorstadt-Familienleben porträtiert. Am Anfang steht eine kleine Erschütterung, die Ennui über die unerträgliche Trivialität, der Verlust der Lust mit einer frigiden Partnerin.

Intime und wirtschaftliche Selbstverwirklichung gehen einher

Daraus wird eine offen-unverkrampfte Glücks- und Sinnsuche mit herrlichen, seltsamen, schwierigen, lüsternen Frauen-Begegnungen, wodurch diese Abby, ebenso wie der von lässigem Selbstvertrauen geprägte Film, neue, emanzipative Wege beschreitet. Eine beschwingte Kur von suburbanen Schäden, eine existenzielle Therapie mit frivoler Lebensberatung – all das beinhaltet die Transition, die Drift einer Mittvierzigerin.

Teilweise atemberaubend behände inszeniert Passon die unsicheren wie forschen Gehversuche auf neuem Terrain. Sie zeigt die Risse zwischen entfremdeter Familien-Langeweile und den Blind Dates einer Frau für gewisse Stunden mit Fremden. Intime und wirtschaftliche Selbstverwirklichung gehen dezent absurd-satirisch einher: als Geschäftsmodell von Freizeit-Zuhälter und der Jurastudentin (Emily Kinney aus „The Walking Dead“), die den Service zur Finanzierung ihrer Ausbildung betreibt.

Überschreitet die Tabuschranken der Bourgeoisie

Die leicht zu unterschätzende, doch ganz und gar ungewöhnliche Arthaus-Perle gleicht einem erwachsenen Entwicklungs-Drama, in dem ungemein viel Subtiles zwischen den Figuren passiert, eine Auseinandersetzung mit dem Stand der eigenen Partnerschaft, Persönlichkeit und (Gender-)Identität. Anders als billiger Klamauk wie „Eine ganz heiße Nummer“ widmet sich der Vertreter des neuen Queer Cinema mit Natürlichkeit und Selbstverständnis allem, was verpönt ist. Mit einem Touch „Intimacy“, aber ohne jede unpassende Nacktheit, überschreitet Passon die Tabuschranken der Bourgeoisie, würdevoll und reif.

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