DVD/BD-Start: 07.10.2015
„Alléluia“, der mit dem regengrauen Cop-Thriller „Colt 45“ zweite Output im Jahre 2014 des belgischen Extremfilmers Fabrice Du Welz („Vinyan“), ist eine krude Ode an zwei Sexualgewalttäter und verlagert die bereits mehrfach adaptierte Geschichte der Lonely Hearts Killers Martha Beck und Raymond Fernandez ins französischsprachige Europa – eine fanatische Psychopathen-Triebbeziehung in flirrend-grobkörniger 16mm-Rohheit.
Du Welz’ rau ästhetisierte Nah-Studie über Glück und Unglück sowie das Begehen von allerhand Tabubrüchen orientiert sich an Lars von Triers „Antichrist“ und „Nymphomaniac“ und dem fiebrigen Ambiente von Gaspar Noés „Irréversible“ und „Enter the Void“: Der Rausch seiner zwischen tristem Realismus-Grau und Rot-Blau-Grün-Farben changierenden Bilder entstammt direkt dem Unterbewusstsein und ist reines Transgressions-Kino.
Die Handkamera von Manuel Dacosse („Der Tod weint rote Tränen“) vollzieht einen Trip in die Psycho-Nacht, spürt die Unruhe extremer Gemütszustände auf, wenn sich zwei Abartige finden und einen Pakt schließen, um ihre sexuellen Begierden auszuleben. Religiöse Symbolik sowie Rekurse auf „African Queen“ – um Abstufungen des Wahnsinns zu schildern – begleiten eine Poesie des Hässlichen und des Fetischismus.
Solch ein nicht der Unterhaltung verpflichtetes Delirium, das konsequent einem Autorenfilmstil mit hohem Anspruch folgt, ist sicherlich anstrengend. So gut die durch Almodóvar bekannte Lola Dueñas („Volver“) und Laurent Lucas (nach „Calvaire“ wieder bei Du Welz) in „Alléluia“ auch spielen, die Anteilnahme mit ihnen fällt schwer. Zu bizarr entfalten sich die dunklen Regionen ihrer Seele, zu opak bleiben ihre Motive.
Ist schon das Verhalten der beiden Borderliner mit ihrem deftigen Dachschaden nicht nachzuvollziehen – dass sich alle Opfer an der Nase herumführen lassen, lässt an deren Verstand zweifeln und gehört zu den Schwächen des ohnehin durch Reduktion auffälligen Drehbuchs. Obwohl Gloria auf große Distanz als verrückt und gefährlich erkennbar ist, sieht das nur ein Kind, die Erwachsenen bleiben, kaum zu glauben, blind.
Deshalb muss man sich „Alléluia“ mehr als Überschreitung in elementare, archaische Primärbedürfnisse nähern, wo Eifersuchtsanfälle ins Leichenzersägen münden – eine richtig schöne „Sado“-Gedächtnisszene -, wo auch mal gesungen und hysterisch grimassiert wird bis an die Grenze zur Lächerlichkeit. Denn wirklich erklären kann man eine solche Amour Fou, die true-crime-blutig (aber nicht zum Splatter) gerät, ohnehin nicht.
imdb ofdb